Samstag, 25. Februar 2006

Szenen meiner wilden Ehe

Buntwäsche

Schwarz.
Ist keine Farbe.
Ich weiß.
Dennoch trage ich am liebsten schwarze Kleidung.
Aber, und da fängt es schon an, die Bettwäsche ...
Angenommen, die Bettwäsche ist orange, auch mal blau, das geht. Problematisch ist jedoch gelb, rot und am schwierigsten: weiß!
Blue Jeans sind auch okay, meine Waschmaschine kennt da keinen Aufnahmestopp.
Jetzt aber sagt meine Liebste, sei sie doch erstaunt über die Eintönigkeit meiner, zum Beispiel Bettwäsche.
„Wo ist denn der gelbe Bettbezug?“ fragt sie mich dann, wie nebenbei.
„Der, den ich dir letzten Monat geschenkt habe?“
Wir beziehen nämlich gerade die Bettdecken neu.
Da liegt er doch. Da vor dir, auf dem Sessel.“
„Das? ...“
Sie hält den Bettbezug in beiden Händen, gelb wie der grellste Sonnenschein.
„ ... soll der gelbe Bettbezug sein, den ich dir letzten Monat geschenkt habe?“
Ihr Entsetzen erschüttert mich.
Ist etwas Schreckliches in ihrer Familie passiert, was sie mir bis jetzt nicht sagen konnte?
Wurde sie bestohlen, ausgeraubt oder furchtbar beleidigt?
Hat sie ihren Job verloren?
„Ja, natürlich ist das der gelbe Bettbezug, den du mir letzten Monat geschenkt hast. Den sollte ich doch noch waschen, bevor wir ihn benutzen ...“
Mit gefährlich unschuldiger Miene und honigsüßer Stimme fragt sie mich:
„Du hast diesen Bettbezug also gewaschen?“
Hätte ich gewusst, wie viel Freude ihr das macht, hätte ich ihr das schon längst erzählt.
So sage ich nur:
„Ja, letzte Woche schon. Zusammen mit der anderen Wäsche.“
Haben Sie schon einmal einen Engel zum wilden Tiger mutieren sehen?
Ich meine nicht im Laufe mehrerer Jahre. Das ist ja nichts Außergewöhnliches, sondern Natur.
Nein, von einem Augenaufschlag zum nächsten, zwischen zwei kurzen Atemzügen, meine ich.
„Zusammen mit der anderen Wäsche!“ faucht dieser Tiger jetzt durch den Raum.
Tiger liebe ich zwar, aber nur von der sicheren Seite des Käfigs.
Ich draußen, du Tiger drinnen.
„Mit welcher anderen Wäsche denn?“
Löst sich nicht etwa schon die Tapete von den Wänden oder ist es lediglich das Zittern meines vom Sturm der Wildnis geschüttelten Kopfes, der mich Dinge sehen lässt, die noch nicht geschehen?
„Na, mit der anderen Wäsche eben,“ versuche ich mich als Dompteur.
Vergebens.
Sie schreitet, das Corpus Delicti noch in Händen zum Tatort, vormals Waschmaschine, vor dem sich noch Spuren, in Form ungewaschener Wäsche stapeln.
„Mit schwarzer Wäsche etwa?“
Habe ich nicht ein Alibi?
War ich nicht, während die Waschmaschine lief, im Supermarkt gewesen und hatte dort eingekauft?
Eindeutig lag hier meine Unschuld auf der Hand.
Schuld war die Waschmaschine. Dieses verflixte Ding.
Aber mach´ das mal jemandem klar, der für wahre Logik kein Ohr hat.
„Schon wieder. Was war denn diesmal? Socken? Die schwarze Jeansjacke? Die T-Shirts? Oder deine Pullover? Und dann wahrscheinlich auch noch bei 60°! Ich fass es nicht.“
Hier hilft nur ein bekümmerter Blick, den man der Liebsten zuwirft und der Hinweis, dass man ja gleich noch was Leckeres zum Abendessen kochen wolle oder der Griff zum Fleischermesser.
Letzteres aber nur rein präventiv.
Gut kommt auch das Versprechen an, die Bettwäsche nie mehr waschen zu wollen.
Dabei wackelt man am besten schuldbewusst mit dem Kopf, zuckt burschikos mit den Schultern und lässt die Hände defensiv in den Hosentaschen.
Schließlich ist man ja auch nur ein Mann und nicht die allwissende Waschtrommel – Klementine.
Nie wieder werde sie.
Gelbe Bettwäsche an mich schnöden Verächter jeglichen Feinwaschgefühls verschwenden.
Perlen seien das.
Den Rest denke ich mir, während ich sie mit aller Vorsicht aus der engen Kochnische herauskomplimentiere und die Zutaten für das Abendessen zusammenstelle und anfange zu kochen.
Irgendwie freue ich mich schon jetzt darauf, nachher mit meiner Liebsten im Bett zu liegen.
Unter dem neuen gelben Bettbezug, den sie mir letzten Monat geschenkt hat. © 2003 Jon

Szenen meiner wilden Ehe

Diät

Fett ist lecker, sieht aber übel aus.
Zum Beispiel um den Bauchnabel.
Gut ist da nur, dass ich nicht ins Freibad muß, um mich in knapper Badehose der allgenmeinen Lächerlichkeit preiszugeben.
Andererseits könnten die Rettungsringe um die Hüften nicht erst dort ihre volle Funktionalität zum Tragen bringen, ich mich also, ohne auch nur einen Muskel zu rühren, rücklings auf das Wasser legen und mich von den Wellen, die andere um mich herum schlagen, mal hierhin, mal dorthin treiben lassen?
„Na, mein Dickerchen,“ sagt meine Herzallerliebste, als ich in meiner Wohnung unbekleidet, man könnte sogar sagen vollkommen nackt an ihr vorüberhusche.
Ist es draußen schon gnadenlos tropisch heiß, so erreichen die Innentemperaturen in meiner kleinen Dachwohnung nahezu unverschämte Höchstwerte, so dass ich um mein Thermometer, ein Erbstück, fürchten muß und es deshalb vorsichtshalber in den Kühlschrank lege.
Schon beim Öffnen des Kühlschrankes überkommt mich ein leichtes Frösteln,sämtliche Körperhaare, aber auch die Überbleibsel meines Kopfhaares sträuben sich vor eisigem Entsetzen:
Der Kühlschrank ist nahezu leer!
Sind das schon die gefürchteten Halluzinationen kurz vorm Kreislaufkollaps, wegen allzu großer Hitze oder einfach nur eine Fata Morgana, eine Luftvorspiegelung falscher Tatsachen?
Angesichts der wüsten Leere in meinem Kühlschrank würde selbst das mich nicht wundern.
Nur ein paar jämmerliche Oasen kulinarischer Freuden lassen jetzt noch erahnen welch´ herrlicher Schatz an Delikatessen dereinst hier ruhte und auf seines Verzehrs harrte.
Nun sehe ich in den Weiten meines Kühlschrankes nur zwei oder drei Fläschchen mit Fruchtsäften, vereinzelte Objekte bizarrer Natur, bei denen es sich, ich erinnere mich schwach, wohl um Gemüse oder dergleichen handeln muß und ein Schälchen mit gekochtem Reis.
„Was?“ frage ich mit zitternder Stimme, „ist das?“
Meine Beste guckt mich mit ihren großen Augen voller Liebe an:
“Das, mein Dickerchen, ist unser Essen für die nächsten zwei Wochen. Dein Junk-Food habe ich verschenkt.“
Zu erschöpft, frage ich sie erst gar nicht an wen, sondern betrachte sie aus meinen zu Schlitzen verengten Augen. Das durch nichts gehemmte Kühlschranklicht hat mir wohl die Augen verblitzt.
„Na, wir fasten ab jetzt, habe ich beschlossen. Guck dir mal deine Pocke an,“ bemerkt sie uncharmant, leider aber vollkommen zu Recht.
„Fasten?“
„Ja, wir trinken zwei Wochen lang nur abgekochtes Wasser und Fruchtsäfte und essen gar nichts. Aber heute Abend gönnen wir uns noch einmal so richtig was Leckeres.“
Meine Miene erhellt sich in aufkeimender Hoffnung. Ein wohlig warmes Gefühl strömt von meinem Bauch durch meinen ganzen Leib.
„Wirklich? Was denn?“
„Na, ja, das Schälchen Reis mit sehr guter Sojasoße und etwas gedünstetem Gemüse.“
„Kein Fleisch?“
„Nein, kein Fleisch. Das stopft doch nur.“
„Auch kein Fisch?“
„Zuviel Blei.“
Hitze, Hunger und Durst haben schon längst meinen letzten Willen zum Widerstand gegen diesen Angriff auf mein Wohlbefinden gebrochen, also ergebe ich mich meinem ungewissen Schicksal und sage nur noch schwach: „Okay.“
Vollkommen im Einklang mit sich und ihrer Natur, setzt sie sich wieder an den Tisch und liest weiter in ihrem Buch.
So leise ich kann, greife ich zum Telefon und ziehe mich diskret in den hintersten Winkel meiner Wohnung zurück und rufe einen Freund an.
„Hallo,“ spreche ich in den Hörer, den ich mit meinerHand abschirme.
„Hallo? Hallo? Wer ist denn da?“
„Ich bin´s.“
„Ach du? Warum flüsterst du denn so?“
„Erklär ich dir später. Hast du heute schon gegessen?“
„Nein, warum fragst du?“
„Es ist ein Notfall. Was gibt’s denn bei dir heute?“
„Kartoffeln und Schnitzel.“
„Okay, dann komm ich dich gleich besuchen, einverstanden?“
„Ja, klar, aber was ist denn ...?“
„Erklär ich dir später. Ruf mich doch bitte kurz an, ja? Bis gleich.“
Eine Minute später klingelt das Telefon.
Mit weit tragender Stimme spreche ich in den Hörer:
„Ja, natürlich helfe ich dir beim Umstellen deines schweren Kleiderschrankes.“
Dann lege ich auf und gehe zu meiner Süßen in die Küche:
„Hast du das mitbekommen? Eine solche Unverschämtheit von dem Kerl, mich am Sonntag, kurz vor dem Mittagessen zu stören, nur weil er den Kleiderschrank umstellen will.“
„Ach, Schatz, geh ruhig. Ist doch dein Freund, da mußt du doch helfen.“
„Na, ja, du hast Recht,“ sage ich, schon in der Jacke. Bis hachher dann, Liebste Ich freu mich schon richtig auf unser leckeres Abendessen.“
Wir umarmen uns noch innig und geben uns einen Kuß.
Es ist wirklich schön, eine so ehrliche Beziehung voller Harmonie zu führen. © 2003 Jon

Szenen meiner wilden Ehe - Schuhe?

Nur in Italien!

Vorsicht Männer bei der Planung des Urlaubsortes.
Sollten Sie verheiratet oder mit einem sehr weiblichen Geschöpf liiert sein, ist größte Umsicht angebracht.
Vor allem, wenn Ihre Liebste die schönsten Füße der Welt hat und in Folge dessen unter einem Schuhtick leiden muss.
Diesbezüglich ist Italien das wohl gefährlichste Pflaster, denn die dortigen hauchdünnen Lederwaren sind weltweit das Beste auf diesem Gebiet.
Da macht es nichts, dass ich im letzten Italienurlaub ihren Koffer mit drei oder vier (waren es nicht sogar fünf) verschiedenen Paar Schuhen, Sandalen, Turnschuhen und Schläppchen über die diversen Bahnsteige geschleppt habe – daher auch der Name „Schläppchen“, denke ich, denn so schlapp hatte ich schon lange nicht mehr gefühlt, wie nach dieser Aktion -, nein, „Guck mal, wie findeste die denn da?“
„Welche?“
„Na die Braunen, mit den Riemchen?“
Blind vor „Braunen mit Riemchen“ hatte ich ins Schaufenster geblickt und nur ergeben geantwortet: “Gut.“
„Komm, wir gehen mal kurz ins Geschäft.“
Da ich dieses „mal kurz ins Geschäft gehen“ schon kannte, überschlug ich im Kopf, wann ich zuletzt etwas gegessen und getrunken hatte, wie also meine Chancen standen, diese Attacke eines spontan auftretenden Kaufrausches einigermaßen unbeschadet überleben zu können.
So war ich ihr ins einzig wahre Frauenparadies auf Erden gefolgt, meinem ungewissen Schicksal entgegenblickend.
Auf der Stelle war ich wie erschlagen von betörenden Ledergerüchen, die ganz unbekümmert zu mir aufstiegen und mich betäubten.
„Schau mal, die haben hier auch Herrenschuhe“, versuchte sie sich bei mir einzuschmeicheln und zeigte auf ein lächerlich kleines Regal mit recht angestaubten Modellen des ausgehenden vorletzten Jahrhunderts.
Während sie das Regal durchstöberte, auf dem etwa zehntausend Schuhe in ihrer Größe ihr stilles Unwesen trieben, versuchte ich einen letzten Einwand anzubringen: „Was soll ich mit noch einem Paar Schuhen, wo ich doch schon drei habe“, doch sie hatte mich anscheinend vergessen.
Angesichts dieser typischen Sypmtome suchte ich wohlweislich nach einer angemessenen Sitzgelegenheit, die meiner Meinung nach in jedem besseren Schuhgeschäft vorhanden sein müsste.
Aber da kennt man die psychologische Kriegsführung der internationalen Damenschuhhändlermafia schlecht.
Natürlich gab es hier kein einziges Möbel, dass auch nur im Entferntesten einem Mann das Sitzen erlaubt hätte. In diesem Schuhgeschäft hätte nicht einmal ein Spatz einen Platz zum Putzen seines Gefieders gefunden.
Schuhe so weit das Auge noch zu blicken vermochte. Schuhe, Schühchen, Sandalen, Sandaletten, Schläppchen, Pantoffeln, Pantoletten, Sneaker, Turnschuhe, Stiefel, Stiefeletten und Stiefelchen und noch mehr, mit mir vollkommen unbekannten Namen buhlten in unüberschaubarer Fülle um ausschließliche Beachtung ihrer weiblichen Konsumopfer.
Dezente Musik lullte mich ein; Verkäuferinnen flitzten kundenfreundlich zwischen meiner Süßen und dem Lager hin und her.
Dieses Gewimmel und Gesumm um mich herum verursachte mir allmählich Schwindel. Oder waren es lediglich Hunger und Durst?
„Möckten Sie eine Espresso oder Cappucino?“ startete eine kleine schwarzhaarige Verkäuferin einen plumpen Erpressungsversuch, den ich lächelnd annahm.
Vom langen Stehen und der heiß-trockenen Luft in diesem Etablissement äußerst demoralisiert, lehnte ich mich schwankend an das nächste Regal.
„Guck mal, die sind doch süß, oder?“ Die Schuhe, die mein Schatz mir entgegen hielt, waren tatsächlich so „süß“, wie es zwei Lederstreifen mit angenähten Lederbändchen überhaupt sein können.
Dafür war der Preis ziemlich bitter, fand ich, sagte aber nichts, zu sehr pappte meine Zunge am Gaumen fest. Wo blieb denn nur der Cappucino?
„Komm doch mal zu mir, dann kannst du mir besser helfen, Schatz. Welche Schuhe soll ich denn nehmen?“ fragte sie ausgerechnet mich, den größten Schuhkenner seit Erfindung des Jesuslatschens mit diesem einen Augenaufschlag, der mich immer so wehrlos macht.
Rettung nahte auf leisen Sohlen. Die kleine schwarzhaarige Verkäuferin gab mir eine Tasse brühendheißen Cappucinos , die ich ohne abzusetzen mit einem Zug leerte.
Endlich löste sich meine Zunge wieder vom Gaumen und machte den auftretenden Verbrennungsbläschen in meiner Mundhöhle Platz.
„Du sagst mal wieder gar nichts. Gefallen dir die Schuhe hier etwa nicht?“
„Dosch, dosch“, murmelte ich, dabei meine inneren Wunden leckend.
„Die Italiener machen wirklich die schönsten Schuhe, nicht wahr, mein Schatz?“
„Joh“, entglitt es meinem geschundenem Mund. Vielleicht war das ein weiterer Trick der Damenschuhmafia, den begleitenden Männern allzu heißen Kaffee einzuflößen, um jeden Widerspruch bezüglich der hier vorherrschenden Preispolitik mit allen Regeln der Kunst schon im ersten Aufkeimen zu ersticken.
„Hast du wieder schlechte Laune? Wenn ich mal in Ruhe nach Schuhen gucken möchte ...“
Zum Glück vertiefte sie dieses Thema nicht weiter, sondern fragte mich mit diesem einen Augenaufschlag, Sie wissen schon:
“Wie findeste den?“
Hatte ich schon gesagt, dass sie die schönsten Füße der Welt hat?
Und tatsächlich unterstrich gerade dieser Schuh diese einzigartige Schönheit in einem so überzeugenden Maße, diese Linie, dieser leichte Schwung, ein Meisterwerk italienischer Schuhmacherkunst.
Mir blieb förmlich die Spucke weg, so überwältigt war ich, dass mir der kalte Schweiß ausbrach.
„Die sind ja klasse“, sagte ich begeistert und zeigte auf den Schuh an ihrem rechten Fuß.
„Meinst du den?“, fragte sie mich aufblickend und hielt mir ihren linken Fuß hin.
„Nein, den anderen“, wieder wies ich auf den Schuh an ihrem rechten Fuß.
Sie schnaubte irgendwie verächtlich und sagte vernichtend:“Na, toll. Das sind die Schuhe, die ich schon den ganzen Tag trage.“
Deshalb hatten sie mir also so gut gefallen. Wahrscheinlich hatte ich sie schon damals beim Kauf dieser Schuhe sachverständig beraten.
Warum sie aber jetzt schmollte, wollte mir nicht ganz einleuchten. Hatte sie nicht noch heute morgen behauptet, dass gerade diese Schuhe ihre Lieblingsschuhe wären?
Ein wenig irritiert sah ich mich im Schuhgeschäft um und entdeckte ein winziges Höckerchen, versteckt hinter einem Stapel noch einzuräumender Schuhe.
Dieses Höckerchen eroberte ich mit einem gezielten Sprung, denn in der Liebe und im Krieg sind alle Mittel erlaubt, also auch beim Schuhkauf.
Es wurde dann doch noch ein schöner Nachmittag im italienischen Schuhgeschäft, den ich auf meinem Höckerchen einen Cappucino nach dem anderen trinkend zu ihren Füßen über die Runden brachte.
Mit meiner Hilfe fand meine Angebetete drei Exemplare schönster italienischer Schuhhandwerkskunst, die sie mir dankenswerterweise - wir hatten einen vorübergehenden Waffenstillstand vereinbart - , zum Tragen überließ, als wir in der hereinbrechenden Dunkelheit zu unserem kleinen Hotel schlenderten.
Vielleicht hatte die Küche ja noch geöffnet?! © 2003 Jon

Auf besonderen Wunsch,

eine weitere Szene meiner wilden Ehe

Urlaub?

„Guck mal Schatz, die Sonne scheint.“
Meine Süße steht am offenen Fenster, der Vorhang ist beiseite gezogen.
Tatsächlich, die Sonne scheint und ich liege im Bett, vollkommen geblendet und gähne ausgiebig.
„Ja, schön.“
Allzu frische Luft weht ins Zimmer.
„Möchtest du auch einen Kaffee?“
„Ja“, murmele ich unter der Bettdecke, die ich mir über den Kopf gezogen habe.
Das Wasser kocht lauter werdend vor sich hin, ich drehe mich schwerfällig auf die andere Seite.
„Jetzt kommt der Frühling“, sagt sie, das Märzkind.
„Das ist schön, mein Schatz.“ Jahrelange Erfahrung hat in mir diesen lebensnotwendigen Satz geformt, den ich bei jeder Gelegenheit gefahrlos anbringen kann, außer im Streit. Dann sagt sie:
„Wie kannst du so gemein sein?“
Nein, wenn die Sonne so schön scheint und der Frühling kommt, will ich nicht gemein sein, sondern ihren leckeren Kaffee trinken, den sie mir gerade so liebevoll zubereitet.
So wälze ich mich aus dem Bett, es ist Sonntag, ein Sonntag mit ihr.
Unser Frühstückstisch steht am offenen Fenster. Im Blumenkasten, um den sich natürlich ausschließlich meine Süße kümmert, lassen sich die ersten zaghaften Pflänzchen blicken.
Der Kaffeeduft lockt mich an den Tisch, ihr sonniges Lächeln, das sie mir schenkt, weckt in mir den Wunsch nach einem Kuß.
Das ist ein Leben: Brötchen, frisch aufgebacken, Butter und Honig, dazu eine große Tasse dampfenden Kaffees und vor allem ihr Anblick, der mich immer wieder verzückt.
Jedenfalls so weit ich das mit meinen morgendlich getrübten Augen wahrnehmen kann.
Ja, sie hat recht, ein solcher Morgen lässt einen wunderschönen Tag erwarten.
Draußen zwitschern ein paar glückliche Vögel ihr fröhliches Frühlingslied.
Ich nehme zwei noch warme Brötchen aus dem Korb, zerteile sie und streiche Butter und Honig darauf.
Eins reiche ich meiner Geliebtesten.
„Wohin fahren wir denn dieses Jahr in den Urlaub?“
Kaum zu glauben, dass diese entzückende Person eine solch hinterhältige Frage stellen kann.
Urlaub.
Der Schrecken eines jeden echten Müßiggängers.
Urlaub.
Ich lausche dem Gesang der Vögel, die draußen vor dem Fenster hin und her fliegen, im Kastanienbaum von Ast zu Ast hüpfen, ganz so wie Gott sie schuf. Diese freundlichen Wesen kennen keinen Urlaub, sie genießen ihr kurzes Leben und scheinen äußerst glücklich damit zu sein. Wenn sie Hunger haben, fressen sie, haben sie Durst, trinken sie und sollten sie einmal müde werden, hocken sie sich auf einen ruhigen Ast und schlafen. Sicherlich unternehmen auch einige von ihnen lange Auslandsreisen, aber doch nur aus blanker Not, nämlich aus Futtermangel.
Ich schaue betrübt auf meine Brötchenhälften, die goldgelb vor Honig glänzen. Es hätte ein so schöner Sonntag werden können.
Urlaub bedeutet schon im Vorfeld Mühsal und Plage. Da werden Reisekataloge gewälzt, die mit schrecklich schönen Photos nur den Arglosesten von der Pracht des Urlaubsortes überzeugen können.
Was man da nicht schon alles gehört hat: Riesige Baustellen, statt stattlicher Palmen vor der Hotelanlage. Nein, da brauche ich nur eine kurze Radtour durch unsere Innenstadt zu machen, wenn ich Lust auf Baulärm habe. Oder das Essen ist miserabel. Gut, wenn´s das ist, ich kenne hier gleich um die Ecke eine Pommesbude, ich kann dir sagen, da kommt kein noch so schlechter Restaurantbetrieb mit. Dann gibt es noch Montezumas Rache, den urlaubsüblichen Brechdurchfall. Meine Güte, wenn´s einem danach verlangt, lasse ich eben den Fisch das nächste Mal zwei Tage stehen, bevor er in den Backofen kommt. Das hat einen ähnlichen Effekt und ist ungleich preiswerter.
Hat man sich aber erst einmal zu einem Reiseziel breitschlagen lassen, tritt Phase zwei ein: Die Planung.
Wie viel Geld man braucht, ist schnell ermittelt. Dazu rechnet man noch zirka ein Drittel des errechneten Geldbetrages für den obligatorischen Schuhkauf dazu und stellt entzückt fest, dass man so viel Geld gar nicht zur Verfügung hat, außer man räumt die nächste Bank bis auf die Grundmauern aus.
„Tapetenwechsel“, höre ich sie zwischen zwei Bissen seufzen und schaue meine Wandverkleidung an, die tatsächlich mindestens neu gestrichen werden müsste.
„Mal was anderes sehen“, fügt sie listig hinzu.
„Wofür“, denke ich nicht minder listig, „gibt es Kino. Oder Fernsehen. Oder noch besser Bücher,“ spreche diesen Gedanken aber noch listiger nicht aus.
Phase drei umfasst Planung der notwendigen Reisekleidung, Accessoires und sonstiges, das unbedingt von Bahnsteig zu Bahnsteig geschleppt werden muss, um endlich am Urlaubsziel angekommen, festzustellen, dass man die eine Hälfte getrost hätte zuhause lassen können und die andere ebendort vergessen hat.
Überhaupt, diese Schlepperei. Bin ich denn ein Esel? Selbst die weigern sich, so schwer beladen weiter zu trotteln.
Hier gehe ich an den Schrank, nehme mir das heraus, was ich brauche und voilá, bin schon bereit für den kommenden Tag.
„Das Essen in anderen Ländern ist so wunderbar“, zieht sie geschickt den Trumpf aus dem Ärmel, der bei mir fast immer zieht.
Sie, die den ganzen Tag mit einem Schälchen Salat und einem Schüsselchen Reis auskommt, will mir also den Urlaub schmackhaft machen?
Alleine die Vorstellung vor einem Riesenteller Pasta zu sitzen, den erbarmungswürdigen Anblick ihrer Spatzenportionen vor Augen, lässt die Befürchtung in mir aufkeimen, ihre Gabel in meinem Gericht wiederzufinden:“Das sieht aber doch lecker aus. Laß mich mal probieren.“
Nein, da koche ich lieber am heimischen Herd für zwei Personen und werde wirklich satt.
„Und die fremde Sprache. Wie das klingt“, schwärmt sie mir vor.
Ja, wie klingt das nur?
Erstens spreche ich nur knapp Englisch, Französisch verstehe ich höchstens mit Lippenlesen und Intuition und wo bitte wird noch Latein gesprochen, das ich erwiesenermaßen beherrschen sollte, aber längst erfolgreichst vergessen habe?
„Azzurro“ habe ich hier irgendwo in dieser meiner Wohnung auf CD. Reicht das nicht? Wenn´s drauf ankommt, kann ich noch mit dem russischen Armeechor dienen: „Ej Uchnem“, das Lied der Wolgaschlepper. Und wenn´s Französisch werden soll, in stillen Dämmerstunden lege ich eben Jane Birkin und Serge Gainsbourg auf: „Je T´Aime“.
Da kommt meiner Meinung nach Atmosphäre auf und intime Nähe und nicht in irgendeiner abgelegenen Kneipe am Arsch der Welt, wo man von den Eingeborenen zugequatscht wird, die man wie ein blödes Lämmchen anstarrt, weil man kein Wort versteht und die einem nachher noch den steinalten Fiat 500 hinterm Haus für viel Geld angedreht haben, nur weil alles so nett und ursprünglich war an diesem Abend. Nichts gegen den Topolino, ein wahrhaft knuffiges Automobil, aber wer glaubt allen Ernstes daran, mit solch einem Gefährt über die Alpen zu kommen?
Ich nicht, basta.
Jede Anreise ist doch schon eine Tortour pur.
Fährst du mit dem Zug, lernst du mit Sicherheit eine Horde Fremdenlegionäre kennen, die sturzbetrunken den Zug bevölkert und deine Frau ganz toll findet, während du dich krampfhaft an deinen Sitz klammern musst, um nicht von diesen martialischen Friedensaktivisten bei voller Fahrt hinausgeworfen zu werden, während du deinen anderen Arm schützend um deine Liebste gelegt hältst.
Die Anreise mit dem eigenen Auto, sofern vorhanden, führt zu irreversiblen Haltungsschäden und chronischem Schlafmangel, mal ganz abgesehen von der totalen Motorpanne auf der Hälfte der Strecke, die den willigsten Urlaubsreisenden in seinem Elan um etliches zurückwirft.
Manch einer verfällt da auf´s Fliegen, wobei diese Art des Reisens den entscheidenden Vorteil hat, dass im Falle eines Unfalls keinerlei Reparaturkosten für den Urlauber mehr nachkommen. Auch bei den noch immer modernen Entführungen zeichnet sich ein Trend zu recht radikalen Abschlüssen ab.
„Bleibe im Lande und nähre dich redlich“, ist da eher meine Devise, mag sie auch noch so langweilig klingen.
So schwinge ich mich auf mein Fahrrad, pack´die Badehose ein und strample zum nächsten Café. Dort sitze ich im Schatten mit einem Buch, trinke einen hervorragenden Latte Macchiatto, lausche den Gesprächen, die auf Polnisch, Russisch, Italienisch oder was weiß ich an den Nachbartischen geführt werden und freue mich schon auf die Rückkehr meiner Liebsten, die ihren wohlverdienten Urlaub von mir hoffentlich genauso genießt, wie ich meinen.
Bonne Vacances, mon amour. © 2003 Jon

"Credo eines Humanisten" - Erich Fromm

• Ich glaube, dass sich die Einheit des Menschen aus der Tatsache ergibt, dass der Mensch ein sich seiner selbst bewusstes Leben ist. Darin unterscheidet er sich von anderen Lebewesen. Der Mensch ist sich seiner selbst bewusst: seiner Zukunft (das heißt der Tatsache, dass er sterben muss), seiner Kleinheit und seiner Ohnmacht; er nimmt die anderen als andere wahr; er lebt in der Natur und ist ihren Gesetzen unterworfen, auch wenn er sie mit seinem Denken übersteigt.

• Ich glaube, dass der Mensch das Ergebnis einer natürlichen Evolution ist, die aus dem Konflikt entspringt, dass er in der Natur gefangen und gleichzeitig von ihr getrennt ist, und aus dem Bedürfnis, Einheit und Harmonie mit der Natur zu finden.

• Ich glaube, dass die Natur des Menschen in einem Widerspruch zu fassen ist, der in den Bedingungen der menschlichen Existenz wurzelt und eine Suche nach Lösungen notwendig macht, die ihrerseits neue Widersprüche und das Bedürfnis nach neuen Antworten erzeugen.

• Ich glaube, dass jede Antwort, die auf diese Widersprüche gegeben wird, die Voraussetzung erfüllt und dem Menschen hilft, sein Gefühl des Abgetrenntseins zu überwinden und ein Gespür der Zustimmung, der Einheit und der Zugehörigkeit zu erlangen.

• Ich glaube, dass der Mensch bei jeder Antwort, die er auf diese Widersprüche gibt, nur die Möglichkeit der Wahl hat, entweder vorwärts oder rückwärts zu gehen. Diese Wahlmöglichkeiten, die sich in bestimmten Handlungen manifestieren, sind die Wege, auf denen wir in unserem Menschsein regredieren oder progredieren.

• Ich glaube, dass der Mensch grundsätzlich die Wahl hat zwischen Leben und Tod, zwischen Kreativität und destruktiver Gewalt, zwischen Wirklichkeitssinn und Illusion, zwischen Objektivität und Intoleranz, zwischen brüderlicher Unabhängigkeit und einer Bezogenheit auf Grund von Über- und Unterordnung.

• Ich glaube, dass man dem Leben die Bedeutung andauernder Geburt und beständiger Entwicklung zuschreiben kann.

• Ich glaube, dass man dem Tod die Bedeutung des Endes von Wachstum und ständiger Wiederholung zuschreiben kann.

• Ich glaube, dass der Mensch, der die regressive Antwort gibt, dadurch Einheit zu finden versucht, dass er sich von der unerträglichen Angst vor Einsamkeit und Unsicherheit zu befreien versucht, indem er das, was ihn menschlich macht und zum Problem wird, entstellt. Die regressive Orientierung entwickelt sich in drei Erscheinungsweisen, die getrennt oder im Verbund auftreten: in der Nekrophilie, im Narzissmus und in der inzesthaften Symbiose.

Mit Nekrophilie meine ich die Liebe zu allem, was mit Gewaltanwendung und Destruktivität zu tun hat; der Wunsch zu töten; die Bewunderung von Macht; das Angezogensein von Totem, von Selbstmord, von Sadismus; der Wunsch, Organisches mit Hilfe von „Ordnungschaffen“ in Anorganisches zu verwandeln. Da dem Nekrophilen die erforderlichen Eigenschaften für Kreatives abgehen, ist es ihm in seiner Unfähigkeit ein Leichtes, zu zerstören, denn für ihn dreht sich alles nur um Gewalt.

Mit Narzissmus meine ich, dass der Mensch aufhört, ein lebendiges Interesse an der Außenwelt zu zeigen und eine starke Bindung an sich selbst, an seine eigene Gruppe, an den eigenen Klan, die eigene Religion, Nation, Rasse usw. entwickelt. Dabei kommt es zu gravierenden Verzerrungen in seinem rationalen Urteilsvermögen. Ganz allgemein entsteht das Bedürfnis nach narzisstischer Befriedigung, wenn materielle und kulturelle Armut kompensiert werden muss.

Mit inzesthafter Symbiose meine ich die Tendenz, an die Mutter und ihre Ersatzfiguren – das Blut, die Familie, den Stamm – gebunden zu bleiben, der unerträglichen Bürde der Verantwortung, der Freiheit und des Bewusstseins zu entfliehen und in einem Hort von Sicherheit und Abhängigkeit Schutz und Liebe zu bekommen. Dafür bezahlt der einzelne mit dem Ende seiner eigenen menschlichen Entwicklung.

• Ich glaube, dass der Mensch, der sich für das Vorwärtsgehen entscheidet, eine neue Einheit finden kann, indem er alle seine menschlichen Kräfte zur vollen Entfaltung bringt. Diese können sich in drei Weisen entfalten und allein oder im Verbund in Erscheinung treten: in der Biophilie, in der Liebe zur Menschheit und zur Natur und in Unabhängigkeit und Freiheit.

• Ich glaube, dass die Liebe sozusagen der „Hauptschlüssel“ ist, mit dem sich die Tore zum Wachstum des Menschen öffnen lassen. Ich meine damit Liebe zu und Einssein mit jemand anderem oder etwas außerhalb von mir selbst, wobei das Einssein besagt, dass man sich auf andere bezieht und sich mit anderen eins fühlt, ohne damit sein Gespür für die eigene Integrität und Unabhängigkeit einschränken zu müssen. Liebe ist eine produktive Orientierung, zu deren Wesen es gehört, dass folgende Merkmale gleichzeitig vorhanden sind: Man muss sich für das, womit man eins werden will, interessieren, sich für es verantwortlich fühlen, es achten und es verstehen.

• Ich glaube, dass die Praxis der Liebe das menschlichste Tun ist, das den Menschen ganz zum Menschen macht und ihm zur Freude am Leben gegeben ist. Für diese Praxis der Liebe gilt aber – wie für die Vernunftfähigkeit: Sie ist sinnlos, wenn sie nur halbherzig vollzogen wird.

• Ich glaube, dass man erst „frei von“ seinen inneren und/oder äußeren Bindungen sein muss, um „frei zu“ etwas sein zu können: zu schöpferischem, gestaltendem Tun, zu mehr Erkenntnis usw. Erst dann ist man fähig, ein freies, tätiges, verantwortliches Wesen zu sein.

• Ich glaube, dass Freiheit die Fähigkeit ist, der Stimme der Vernunft und des Wissens zu folgen und den Stimmen irrationaler Leidenschaften zu widerstehen. Sie ist die Befreiung, die den Menschen freispricht und ihm den Weg ebnet, seine eigenen vernünftigen Fähigkeiten zu gebrauchen, die Welt in ihrer Objektivität zu verstehen und den Platz, den der Mensch darin einnimmt, zu erkennen.

• Ich glaube, dass der „Kampf für die Freiheit“ im allgemeinen ausschließlich die Bedeutung hatte, gegen jene Autorität zu kämpfen, die einem aufgedrängt wurde und deren Ziel es war, den Willen des einzelnen zu brechen. Heute sollte der „Kampf für die Freiheit“ bedeuten, dass wir uns einzeln und gemeinsam von jener „Autorität“ befreien, der wir uns „freiwillig“ unterworfen haben. Wir sollten uns von jenen inneren Mächten befreien, die uns zu dieser Unterwerfung zwingen, weil wir unfähig sind, die Freiheit zu ertragen.

• Ich glaube, dass Freiheit keine konstante Wesenseigenschaft ist, die wir haben oder auch nicht haben. Vermutlich gibt sie es in Wirklichkeit nur als Akt unserer Selbstbefreiung, wenn wir von unserer Freiheit, wählen zu können, Gebrauch machen. Jeder Schritt im Leben, der den Grad der Reife des Menschen erhöht, erhöht auch seine Fähigkeit, die freimachende Alternative zu wählen.

• Ich glaube, dass die Wahlfreiheit nicht für alle Menschen in jedem Augenblick in gleicher Weise gegeben ist. Wer ausschließlich nekrophil, narzisstisch oder symbiotisch-inzestuös orientiert ist, hat nur die „Wahl“, sich regressiv zu entscheiden. Der freie Mensch, der von irrationalen Bindungen befreit ist, kann keine regressive Wahl mehr treffen.

• Ich glaube, dass es das Problem der Wahlfreiheit nur bei Menschen mit gegenläufigen Orientierungen gibt, und dass diese Freiheit immer stark von unbewussten Wünschen und von beschwichtigenden Rationalisierungen bedingt wird.

• Ich glaube, dass niemand seinen Nächsten dadurch „retten“ kann, dass er für ihn eine Entscheidung trifft. Die einzige Hilfe besteht darin, dass er ihn in aller Aufrichtigkeit und Liebe sowie ohne Sentimentalität und Illusionen auf mögliche Alternativen hinweisen kann. Das erkennbare Bewusstwerden befreiender Alternativen kann in einem Menschen alle seine verborgenen Energien wachrufen und ihn auf den Weg bringen, auf dem er das Leben statt den Tod wählt.

• Ich glaube, dass der Mensch die Gleichheit aller Menschen spüren kann, wenn er sich ganz und gar zu erkennen versucht und dabei merkt, dass er den anderen gleicht und er sich mit ihnen identifiziert. Jeder einzelne Mensch trägt die Menschheit in sich. Die conditio humana ist eine und für alle Menschen gleich trotz der unübersehbaren Unterschiede bezüglich Intelligenz, Begabung, Körpergröße, Hautfarbe usw.

• Ich glaube, dass man an die Gleichheit der Menschen gerade deshalb erinnern muss, weil damit ein Ende gemacht werden muss, dass der Mensch ein Instrument des anderen wird.

• Ich glaube, dass Brüderlichkeit die auf den Nächsten gerichtete Liebe ist. Sie bleibt freilich eine Worthülse, solange nicht alle inzesthaften Bindungen ausgemerzt sind, die den Menschen daran hindern, über den „Bruder“ in objektiver Weise zu urteilen.

• Ich glaube, dass der einzelne so lange nicht mit seiner Menschheit in sich in engen Kontakt kommen kann, solange er sich nicht anschickt, seine Gesellschaft zu transzendieren und zu erkennen, in welcher Weise diese die Entwicklung seiner menschlichen Potentiale fördert oder hemmt. Kommen ihm die Tabus, Restriktionen, entstellten Werte ganz „natürlich“ vor, dann ist dies ein deutlicher Hinweis darauf, dass er keine wirkliche Kenntnis der menschlichen Natur hat.

• Ich glaube, dass die Gesellschaft in ihrer stimulierenden und zugleich hemmenden Funktion schon immer in Konflikt mit dem Menschsein ist. Erst wenn der Zweck der Gesellschaft mit der des Menschseins identisch ist, wird die Gesellschaft aufhören, den Menschen zu lähmen und sein Streben nach Herrschaft zu beflügeln.

• Ich glaube, dass man auf eine gesunde und vernünftige Gesellschaft hoffen kann und muss. Eine solche Gesellschaft fördert die Fähigkeit des Menschen zur Nächstenliebe, zur Arbeit und zum Gestalten, zur Entwicklung seiner Vernunft und zu einer objektiv richtigen Selbstwahrnehmung, die in der Erfahrung seiner produktiven Energie gründet.

• Ich glaube, dass man für die breite Bevölkerung auf die Wiedergewinnung psychischer Gesundheit hoffen kann und muss. Diese zeichnet sich durch die Fähigkeit zur Liebe und zu schöpferischem Tun aus, durch die Befreiung von inzesthaften Bindungen an den Klan und an den Boden, durch ein Identitätserleben, bei dem der einzelne sich als das Subjekt und den Vollzieher seiner eigenen Kräfte erfährt, durch die Fähigkeit, sich von der Wirklichkeit innerhalb und außerhalb von einem selbst berühren zu lassen und die Entwicklung von Objektivität und Vernunft zu verwirklichen.

• Ich glaube, dass in dem Maße, in dem unsere Welt verrückt und unmenschlich zu werden scheint, eine immer größere Zahl von Menschen die Notwendigkeit spürt, sich zusammenzutun und mit Menschen zusammenzuarbeiten, die ihre Sorgen teilen.

• Ich glaube, dass diese Menschen guten Willens nicht nur zu einer menschlichen Deutung der Welt kommen sollten, sondern auch auf den Weg hierzu verweisen und für eine mögliche Veränderung arbeiten müssen. Eine Deutung ohne den Wunsch nach Veränderung ist nutzlos. Eine Veränderung ohne vorausgehende Deutung ist blind.

• Ich glaube, dass die Verwirklichung einer Welt möglich ist, in der der Mensch viel sein kann, selbst wenn er wenig hat; in der der vorherrschende Beweggrund seines Lebens nicht das Konsumieren ist; in der der Mensch das erste und das letzte Ziel ist; in der der Mensch den Weg finden kann, seinem Leben einen Sinn zu geben, und in der er auch die Stärke finden kann, frei und illusionslos zu leben.

Manuskript aus dem Jahr 1965 mit dem Titel „Some Beliefs On Man, In Man, For Man“. Deutsche Erstveröffentlichung in: E. Fromm, Humanismus als reale Utopie. Der Glaube an den Menschen, hg. von Rainer Funk (Schriften aus dem Nachlass, Band 8), Weinheim (Beltz Verlag) 1992, München (Heyne Taschenbuchverlag, Heyne Sachbuch 5057) 1996, S. 113-119. Wieder abgedruckt in: Erich Fromm Gesamtausgabe in zwölf Bänden, München (Deutsche Verlags-Anstalt und Deutscher Taschenbuch Verlag) 1999, GA XI, S. 593-596.

Credo eines Humanisten, in: Erich Fromm-Gesamtausgabe in 12 Bänden, Band XI, S. 593-596. [German by Rainer Funk].
pdf: http://www.erich-fromm.de/data/pdf/1992q-d.pdf


Weitere Texte als pdf: http://www.erich-fromm.de/d/play.php?shownews=81


Zur Internationale Erich-Fromm-Gesellschaft e.V.:
http://www.erich-fromm.de/index.html

Erich Fromm (* 23. März 1900 in Frankfurt am Main; † 18. März 1980 in Locarno) war ein deutscher Psychoanalytiker, Philosoph und Sozialpsychologe jüdischer Herkunft. Seit 1940 war er amerikanischer Staatsbürger.
Erich Fromm - Wikipedia:
http://de.wikipedia.org/wiki/Erich_Fromm

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Zum Beispiel: "Vom Haben zum Sein - Wege und Irrwege der Selbsterfahrung" von Erich Fromm bei Amazon:
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