Szenen meiner wilden Ehe

Sonntag, 26. Februar 2006

Mitesser

Die erste „Szene meiner wilden Ehe“, die zugleich die letzte sein wird, die ich hier veröffentliche.

Hunger.
Da bleibt mir nur der rettende Sprung in die nächste Frittenschmiede, Pommes rot-weiß und Currywurst, mit Zaziki, 3 Euro 50.
Einfach, männlich der Entschluss, die Entscheidung ist widerspruchslos gefällt, die Dame vom Grill wirft die kalten Kartoffelstäbchen ins brutzelnde Fett, erfahren und geschickt zerlegt sie das grau-braun getönte Langfleisch in mundgerechte Scheibchen, pulvert ordentlich Curry darüber, sie kennt mich und weiß, dass ich es scharf mag und wendet sich gewohnt professionell und wortgewandt dem nächsten Kunden zu:
“Was darf´s sein?“
Die Pommes garen im dunklen Fett, ich kann meinen Blick nicht von ihnen abwenden, zu hoffnungsvoll ist dieses bewegte Stilleben für mich.
„Nein,“ hatte sie gesagt, sie, meine Beste, mit der ich ausgezerrt diese heiligen Hallen deutscher Esskultur betreten hatte.
Sie wolle keine Pommes, die würden doch Krebs erregen und Currywurst, da sei ja Fleisch drin und da wisse man nicht, wo das wieder herkäme.
Außerdem „habe ich überhaupt keinen Hunger.“
Sie geht vor die Tür, denn hier stinkt es ihr zu sehr und überhaupt, könne sie mich nicht verstehen:
„Ein paar Meter weiter und da gibt es Gemüseburger aus ökologisch-dynamischem Anbau für 5 Euro 40.“
Ich bin ein hungriger Mann und kein Kaninchen, sage ich ihr aber nicht.
Kohlenhydrate, durchzuckt es blitzartig meine Sinne, Kohlenhydrate und dann können von mir aus noch 70 Schuhläden kommen:
“Wie findest du die hier?“
Ein Stadtbummel mit ihr ist immer schön, aber nicht auf nüchternen Magen.
Der Ledergeruch in den Schuhgeschäften würde mich jetzt umbringen. Rind, Schwein, welche Assoziationen würden da wohl heraufbeschworen? Nur kein Risiko eingehen.
Endlich reicht mir die Köchin all dieser herrlichen Dinge die Pappschale über die Theke, schnell gebe ich ihr das passende Geld in ihre pommes-gold-gelbe Hand und wanke voller Hoffnung auf stille Befriedigung dieses archaischen Bedürfnisses zu meiner Geliebtesten hinaus, an die frische Stadtluft.
Kleine, wackelige Tische laden hier zum Essen im Stehen ein.
Die Schale der Köstlichkeiten steht nun dampfend darauf.
„Mein Hals ist wie ausgedörrt,“ sagt mit leicht brüchiger Stimme mein Liebling.
„Soll ich dir eine Dose Wasser holen?“ frage ich, mehr rhetorisch.
„Ja, das wäre lieb von dir.“
Bin ich nicht der Mann dieser Frau?
Würde ich nicht sämtliche Bestien vor ihrer Hütte verjagen, jeden Wunsch ihr von den Lippen ablesen?
So auch diesen.
Behände, pfeilschnell schieße ich in die Pommesbude zurück, reisse eine Dose Wasser und eine mit Cola aus dem Kühlschrank, klatsche das passende Kleingeld auf den Tresen, springe heraus zu meiner Süßen (und meinem Leibgericht) und ...
„Mmmhh, die sahen so lecker aus. Vom Geruch habe ich richtig Appetit bekommen,“ sagt sie lächelnd und nur sie kann so lächeln, zwischen zwei Bissen, die blaue Plastikgabel in der Hand, auf der aufgespießt sich ein weiteres Stück Currywurst, anregend rot von Soße triefend, lüstern an eine sich nach unten biegende Fritte schmiegt.
Bin ich nun sauer?
Nein, denn ich liebe diese schöne Frau schon länger, die da „mal nur ein bisschen von deinem Tellerchen probieren“ will.
Wieder in der Pommesbude nehme ich mir ein gelbes Gäbelchen, eigentlich schon satt von so viel Bewegung und ergebe mich in mein Schicksal.
Da sie ja mit dem Essen zu tun hat, öffne ich unsere Getränkedosen und erlege ergriffen ein Scheibchen Currywurst.
„Schatz, hast du Lust, mit mir noch in das neue Schuhgeschäft zu gehen? Die haben so tolle Angebote da,“ fragt sie mich mit engelsgleicher Zunge zwischen Pommes und Currywurst.
„Natürlich,“ antworte ich.
Wer könnte da noch widerstehen? ©2002 Jon

Szenen meiner wilden Ehe

Gestehe: Ich bin Paul!

Paul!
Wer ist eigentlich Paul?
Diese Frage stellen sich mittlerweile viele, nicht nur Frauen.
Du darfst dir diese Frage auch stellen, aber wirst du jemals eine Antwort darauf erhalten?!
Eine Antwort, die nur ich dir geben kann, denn ich gestehe:
Ich bin Paul!
Und es war wieder mal ganz anders, hast du dir auch schon gedacht?
Denn wenn meine Süße vor dem Spiegel steht, einem geschickten Zerrspiegel, der einen schlanken Fuß macht, Sonderanfertigung meines „Spiegelmeisters“ um die Ecke, suche ich schon vorzugsweise Halt in irgendeiner Fernsehsendung, egal, was kommt.
Besser eine miese Soap im TV verfolgen, als von ihren subversiven Fragen verfolgt zu werden: „Findest du nicht auch, dass mein Busen ..., mein Bauch ..., mein Po ... in letzter Zeit doch ...? Bin ich dir zu dick?“
„Was hast du gesagt Schatz, ich gucke hier gerade eine interessante Sendung über das Liebesleben der Blattläuse, was hast du gesagt?“ frage ich mit starrem Blick auf die Mattscheibe und drehe den Ton nach und nach auf Presslufthammerniveau.
„Guck dir mal meinen Bauch an, wie dick der geworden ist, in letzter Zeit.“
Die Blattläuse turteln von solch elementaren Existenzfragen unberührt weiter und schicken sich an, ihre Art zu erhalten, wie es sich gehört, während ich versuche an meiner Süßen, die mittlerweile vor dem Fernsehapparat steht, vorbei zu schauen, den Kopf links und rechts schwenkend.
„Ich seh´nichts,“ sage ich orakelhaft, was hier und jetzt das Beste ist, was einem derart bedrängten Männchen zu sagen bleibt, will er seine eigene kümmerliche Existenz noch über den Abend retten.
„Du guckst ja auch nie mal wirklich hin. Was hatte ich denn zum Beispiel letzte Woche Freitag für einen Pullover an?“
Verzweifelt frage ich mich, welchen Pullover sie jetzt trägt, besser gesagt nicht mehr trägt, da sie mir ihren, wie sie sagt, von Chips, Schokolade und sonstigen Vollwertprodukten verschandelten Körper bar jeden Pullovers präsentiert.
„Den roten. Du hattest den roten Pulli an,“ tippe ich ins Blaue, denn Rot ist derzeit ihre Lieblingsfarbe.
„Nein, nein, nein, ich habe es gewusst. Den schwarzen Pulli hatte ich an. Rot steht mir doch gar nicht so gut.“
„Stimmt,“ sage ich hoffnungsvoll, denn gibt Mann seine Schande zu, ist er meistens gerettet, so der uralte Aberglaube.
Dachte ich.
„Du findest also, dass Rot mir nicht steht?“
Selbst das Liebesgeflüster der über den Bildschirm huschenden Blattläuse kann nicht das leicht ins Sopranöse tendierende Tremolo ihrer geliebten Stimme übertönen, zumal sie jetzt instinktiv den Lautstärkeregler gegen Null dreht und Tacheles mit mir reden will.
Als Mann dieser Frau, die ich über alles liebe, sehe ich ein, wann eine Schlacht verloren zu geben ist und bringe ein Bauernopfer:
„Rot finde ich nicht so gut an dir, wie Schwarz,“ bringe ich mutig über meine trockenen Lippen.
„Weil Schwarz schlank macht oder was?“ schlägt sie meinen Bauern mit einem Damenzug.
Schon ist der König in Gefahr, aber vielleicht kann ich sie mit einem Springerzug unter Zugzwang setzen?
„Du bist doch total schlank!“
„Das findest aber auch nur du.“ Das will ich ja wohl hoffen, dass ich der Einzige bin, der seinen Blick auf ihre schöne Gestalt wirft!
Mein König ist aber noch einmal davon gekommen, ihre Dame hat sich ein wenig zurückgezogen, allerdings sehe ich dummerweise den nächsten Zug nicht voraus:
„Und warum guckst du dann immer diesen dürren Magermilchprodukten hinterher?“
Wie soll Mann Frau ein tief verwurzeltes biologisches Programm erklären, das er selbst niemals verstanden hat, weil es ganz automatisch abläuft?
„Das hat doch nichts zu bedeuten ...“
Schon ist mein Springer geschlagen, meine Deckung liegt bloß, der König, oje der König ...
Mir bricht der kalte Schweiß aus.
„Also lügst du. Du findest dünne Frauen schöner ...“
„Du bist meine Beste, in jeder Hinsicht,“ vollziehe ich eine verzweifelte Rochade in letzter Sekunde. Dafür ist der Turm jetzt futsch. Die Reihen lichten sich, wie die grauen Haare auf meinem Kopf.
Jetzt hilft nur noch der Läufer. Schnell eingesetzt und nicht groß nachgedacht:
„Also findest du mich zu dick,“ kommt sie mir mit einem geschickten Turmzug zuvor.
Den Läufer kann ich getrost vergessen, hätte eh nichts gebracht, stelle ich resigniert fest.
Aber vielleicht so:
„Ich liebe deinen schönen Bauch und deinen Po finde ich supergeil,“ sagt das kleine Bäuerlein zur großen Dame, bevor sie ihn hopps nimmt.
Sie geht wieder zum Spiegel, schaut hinein und sagt, mehr zu sich selbst:
„Findest du wirklich?“ Ein Lächeln umspielt zaghaft ihren schönen Mund.
Remis. Ich bin auf ein Remis gekommen.
Mittlerweile haben die Blattläuse längst das vollzogen, was man früher wohl eheliche Pflichten nannte und schon einige Folgegenerationen großgezogen, während ich mich im unmenschlichen Kampf der Geschlechter opfern musste.
Doch sitzen wir nach einem ausgiebigen, versöhnlichen Abendmahl innig vereint auf der Couch und sehen fern.
„Paul! Wer ist eigentlich Paul?“ fragt die eine Kleiderstange die andere, während ich meine Frau in ihrer geliebten Weichheit an meiner Seite spüre.
„Siehst du,“ sagt sie und ich weiß nicht, was sie meint.
„Siehst du, alle Männer sind doch gleich,“ murmelt sie zwischen zwei Kartoffelchips.
Dafür habe ich natürlich vollstes Verständnis und nicke in feministischer Solidarität mit meinem fast kahlen Kopf:
In jedem Manne steckt ein Paul. Pfui. © 2003 Jon

Samstag, 25. Februar 2006

Szenen meiner wilden Ehe

Buntwäsche

Schwarz.
Ist keine Farbe.
Ich weiß.
Dennoch trage ich am liebsten schwarze Kleidung.
Aber, und da fängt es schon an, die Bettwäsche ...
Angenommen, die Bettwäsche ist orange, auch mal blau, das geht. Problematisch ist jedoch gelb, rot und am schwierigsten: weiß!
Blue Jeans sind auch okay, meine Waschmaschine kennt da keinen Aufnahmestopp.
Jetzt aber sagt meine Liebste, sei sie doch erstaunt über die Eintönigkeit meiner, zum Beispiel Bettwäsche.
„Wo ist denn der gelbe Bettbezug?“ fragt sie mich dann, wie nebenbei.
„Der, den ich dir letzten Monat geschenkt habe?“
Wir beziehen nämlich gerade die Bettdecken neu.
Da liegt er doch. Da vor dir, auf dem Sessel.“
„Das? ...“
Sie hält den Bettbezug in beiden Händen, gelb wie der grellste Sonnenschein.
„ ... soll der gelbe Bettbezug sein, den ich dir letzten Monat geschenkt habe?“
Ihr Entsetzen erschüttert mich.
Ist etwas Schreckliches in ihrer Familie passiert, was sie mir bis jetzt nicht sagen konnte?
Wurde sie bestohlen, ausgeraubt oder furchtbar beleidigt?
Hat sie ihren Job verloren?
„Ja, natürlich ist das der gelbe Bettbezug, den du mir letzten Monat geschenkt hast. Den sollte ich doch noch waschen, bevor wir ihn benutzen ...“
Mit gefährlich unschuldiger Miene und honigsüßer Stimme fragt sie mich:
„Du hast diesen Bettbezug also gewaschen?“
Hätte ich gewusst, wie viel Freude ihr das macht, hätte ich ihr das schon längst erzählt.
So sage ich nur:
„Ja, letzte Woche schon. Zusammen mit der anderen Wäsche.“
Haben Sie schon einmal einen Engel zum wilden Tiger mutieren sehen?
Ich meine nicht im Laufe mehrerer Jahre. Das ist ja nichts Außergewöhnliches, sondern Natur.
Nein, von einem Augenaufschlag zum nächsten, zwischen zwei kurzen Atemzügen, meine ich.
„Zusammen mit der anderen Wäsche!“ faucht dieser Tiger jetzt durch den Raum.
Tiger liebe ich zwar, aber nur von der sicheren Seite des Käfigs.
Ich draußen, du Tiger drinnen.
„Mit welcher anderen Wäsche denn?“
Löst sich nicht etwa schon die Tapete von den Wänden oder ist es lediglich das Zittern meines vom Sturm der Wildnis geschüttelten Kopfes, der mich Dinge sehen lässt, die noch nicht geschehen?
„Na, mit der anderen Wäsche eben,“ versuche ich mich als Dompteur.
Vergebens.
Sie schreitet, das Corpus Delicti noch in Händen zum Tatort, vormals Waschmaschine, vor dem sich noch Spuren, in Form ungewaschener Wäsche stapeln.
„Mit schwarzer Wäsche etwa?“
Habe ich nicht ein Alibi?
War ich nicht, während die Waschmaschine lief, im Supermarkt gewesen und hatte dort eingekauft?
Eindeutig lag hier meine Unschuld auf der Hand.
Schuld war die Waschmaschine. Dieses verflixte Ding.
Aber mach´ das mal jemandem klar, der für wahre Logik kein Ohr hat.
„Schon wieder. Was war denn diesmal? Socken? Die schwarze Jeansjacke? Die T-Shirts? Oder deine Pullover? Und dann wahrscheinlich auch noch bei 60°! Ich fass es nicht.“
Hier hilft nur ein bekümmerter Blick, den man der Liebsten zuwirft und der Hinweis, dass man ja gleich noch was Leckeres zum Abendessen kochen wolle oder der Griff zum Fleischermesser.
Letzteres aber nur rein präventiv.
Gut kommt auch das Versprechen an, die Bettwäsche nie mehr waschen zu wollen.
Dabei wackelt man am besten schuldbewusst mit dem Kopf, zuckt burschikos mit den Schultern und lässt die Hände defensiv in den Hosentaschen.
Schließlich ist man ja auch nur ein Mann und nicht die allwissende Waschtrommel – Klementine.
Nie wieder werde sie.
Gelbe Bettwäsche an mich schnöden Verächter jeglichen Feinwaschgefühls verschwenden.
Perlen seien das.
Den Rest denke ich mir, während ich sie mit aller Vorsicht aus der engen Kochnische herauskomplimentiere und die Zutaten für das Abendessen zusammenstelle und anfange zu kochen.
Irgendwie freue ich mich schon jetzt darauf, nachher mit meiner Liebsten im Bett zu liegen.
Unter dem neuen gelben Bettbezug, den sie mir letzten Monat geschenkt hat. © 2003 Jon

Szenen meiner wilden Ehe

Diät

Fett ist lecker, sieht aber übel aus.
Zum Beispiel um den Bauchnabel.
Gut ist da nur, dass ich nicht ins Freibad muß, um mich in knapper Badehose der allgenmeinen Lächerlichkeit preiszugeben.
Andererseits könnten die Rettungsringe um die Hüften nicht erst dort ihre volle Funktionalität zum Tragen bringen, ich mich also, ohne auch nur einen Muskel zu rühren, rücklings auf das Wasser legen und mich von den Wellen, die andere um mich herum schlagen, mal hierhin, mal dorthin treiben lassen?
„Na, mein Dickerchen,“ sagt meine Herzallerliebste, als ich in meiner Wohnung unbekleidet, man könnte sogar sagen vollkommen nackt an ihr vorüberhusche.
Ist es draußen schon gnadenlos tropisch heiß, so erreichen die Innentemperaturen in meiner kleinen Dachwohnung nahezu unverschämte Höchstwerte, so dass ich um mein Thermometer, ein Erbstück, fürchten muß und es deshalb vorsichtshalber in den Kühlschrank lege.
Schon beim Öffnen des Kühlschrankes überkommt mich ein leichtes Frösteln,sämtliche Körperhaare, aber auch die Überbleibsel meines Kopfhaares sträuben sich vor eisigem Entsetzen:
Der Kühlschrank ist nahezu leer!
Sind das schon die gefürchteten Halluzinationen kurz vorm Kreislaufkollaps, wegen allzu großer Hitze oder einfach nur eine Fata Morgana, eine Luftvorspiegelung falscher Tatsachen?
Angesichts der wüsten Leere in meinem Kühlschrank würde selbst das mich nicht wundern.
Nur ein paar jämmerliche Oasen kulinarischer Freuden lassen jetzt noch erahnen welch´ herrlicher Schatz an Delikatessen dereinst hier ruhte und auf seines Verzehrs harrte.
Nun sehe ich in den Weiten meines Kühlschrankes nur zwei oder drei Fläschchen mit Fruchtsäften, vereinzelte Objekte bizarrer Natur, bei denen es sich, ich erinnere mich schwach, wohl um Gemüse oder dergleichen handeln muß und ein Schälchen mit gekochtem Reis.
„Was?“ frage ich mit zitternder Stimme, „ist das?“
Meine Beste guckt mich mit ihren großen Augen voller Liebe an:
“Das, mein Dickerchen, ist unser Essen für die nächsten zwei Wochen. Dein Junk-Food habe ich verschenkt.“
Zu erschöpft, frage ich sie erst gar nicht an wen, sondern betrachte sie aus meinen zu Schlitzen verengten Augen. Das durch nichts gehemmte Kühlschranklicht hat mir wohl die Augen verblitzt.
„Na, wir fasten ab jetzt, habe ich beschlossen. Guck dir mal deine Pocke an,“ bemerkt sie uncharmant, leider aber vollkommen zu Recht.
„Fasten?“
„Ja, wir trinken zwei Wochen lang nur abgekochtes Wasser und Fruchtsäfte und essen gar nichts. Aber heute Abend gönnen wir uns noch einmal so richtig was Leckeres.“
Meine Miene erhellt sich in aufkeimender Hoffnung. Ein wohlig warmes Gefühl strömt von meinem Bauch durch meinen ganzen Leib.
„Wirklich? Was denn?“
„Na, ja, das Schälchen Reis mit sehr guter Sojasoße und etwas gedünstetem Gemüse.“
„Kein Fleisch?“
„Nein, kein Fleisch. Das stopft doch nur.“
„Auch kein Fisch?“
„Zuviel Blei.“
Hitze, Hunger und Durst haben schon längst meinen letzten Willen zum Widerstand gegen diesen Angriff auf mein Wohlbefinden gebrochen, also ergebe ich mich meinem ungewissen Schicksal und sage nur noch schwach: „Okay.“
Vollkommen im Einklang mit sich und ihrer Natur, setzt sie sich wieder an den Tisch und liest weiter in ihrem Buch.
So leise ich kann, greife ich zum Telefon und ziehe mich diskret in den hintersten Winkel meiner Wohnung zurück und rufe einen Freund an.
„Hallo,“ spreche ich in den Hörer, den ich mit meinerHand abschirme.
„Hallo? Hallo? Wer ist denn da?“
„Ich bin´s.“
„Ach du? Warum flüsterst du denn so?“
„Erklär ich dir später. Hast du heute schon gegessen?“
„Nein, warum fragst du?“
„Es ist ein Notfall. Was gibt’s denn bei dir heute?“
„Kartoffeln und Schnitzel.“
„Okay, dann komm ich dich gleich besuchen, einverstanden?“
„Ja, klar, aber was ist denn ...?“
„Erklär ich dir später. Ruf mich doch bitte kurz an, ja? Bis gleich.“
Eine Minute später klingelt das Telefon.
Mit weit tragender Stimme spreche ich in den Hörer:
„Ja, natürlich helfe ich dir beim Umstellen deines schweren Kleiderschrankes.“
Dann lege ich auf und gehe zu meiner Süßen in die Küche:
„Hast du das mitbekommen? Eine solche Unverschämtheit von dem Kerl, mich am Sonntag, kurz vor dem Mittagessen zu stören, nur weil er den Kleiderschrank umstellen will.“
„Ach, Schatz, geh ruhig. Ist doch dein Freund, da mußt du doch helfen.“
„Na, ja, du hast Recht,“ sage ich, schon in der Jacke. Bis hachher dann, Liebste Ich freu mich schon richtig auf unser leckeres Abendessen.“
Wir umarmen uns noch innig und geben uns einen Kuß.
Es ist wirklich schön, eine so ehrliche Beziehung voller Harmonie zu führen. © 2003 Jon

Szenen meiner wilden Ehe - Schuhe?

Nur in Italien!

Vorsicht Männer bei der Planung des Urlaubsortes.
Sollten Sie verheiratet oder mit einem sehr weiblichen Geschöpf liiert sein, ist größte Umsicht angebracht.
Vor allem, wenn Ihre Liebste die schönsten Füße der Welt hat und in Folge dessen unter einem Schuhtick leiden muss.
Diesbezüglich ist Italien das wohl gefährlichste Pflaster, denn die dortigen hauchdünnen Lederwaren sind weltweit das Beste auf diesem Gebiet.
Da macht es nichts, dass ich im letzten Italienurlaub ihren Koffer mit drei oder vier (waren es nicht sogar fünf) verschiedenen Paar Schuhen, Sandalen, Turnschuhen und Schläppchen über die diversen Bahnsteige geschleppt habe – daher auch der Name „Schläppchen“, denke ich, denn so schlapp hatte ich schon lange nicht mehr gefühlt, wie nach dieser Aktion -, nein, „Guck mal, wie findeste die denn da?“
„Welche?“
„Na die Braunen, mit den Riemchen?“
Blind vor „Braunen mit Riemchen“ hatte ich ins Schaufenster geblickt und nur ergeben geantwortet: “Gut.“
„Komm, wir gehen mal kurz ins Geschäft.“
Da ich dieses „mal kurz ins Geschäft gehen“ schon kannte, überschlug ich im Kopf, wann ich zuletzt etwas gegessen und getrunken hatte, wie also meine Chancen standen, diese Attacke eines spontan auftretenden Kaufrausches einigermaßen unbeschadet überleben zu können.
So war ich ihr ins einzig wahre Frauenparadies auf Erden gefolgt, meinem ungewissen Schicksal entgegenblickend.
Auf der Stelle war ich wie erschlagen von betörenden Ledergerüchen, die ganz unbekümmert zu mir aufstiegen und mich betäubten.
„Schau mal, die haben hier auch Herrenschuhe“, versuchte sie sich bei mir einzuschmeicheln und zeigte auf ein lächerlich kleines Regal mit recht angestaubten Modellen des ausgehenden vorletzten Jahrhunderts.
Während sie das Regal durchstöberte, auf dem etwa zehntausend Schuhe in ihrer Größe ihr stilles Unwesen trieben, versuchte ich einen letzten Einwand anzubringen: „Was soll ich mit noch einem Paar Schuhen, wo ich doch schon drei habe“, doch sie hatte mich anscheinend vergessen.
Angesichts dieser typischen Sypmtome suchte ich wohlweislich nach einer angemessenen Sitzgelegenheit, die meiner Meinung nach in jedem besseren Schuhgeschäft vorhanden sein müsste.
Aber da kennt man die psychologische Kriegsführung der internationalen Damenschuhhändlermafia schlecht.
Natürlich gab es hier kein einziges Möbel, dass auch nur im Entferntesten einem Mann das Sitzen erlaubt hätte. In diesem Schuhgeschäft hätte nicht einmal ein Spatz einen Platz zum Putzen seines Gefieders gefunden.
Schuhe so weit das Auge noch zu blicken vermochte. Schuhe, Schühchen, Sandalen, Sandaletten, Schläppchen, Pantoffeln, Pantoletten, Sneaker, Turnschuhe, Stiefel, Stiefeletten und Stiefelchen und noch mehr, mit mir vollkommen unbekannten Namen buhlten in unüberschaubarer Fülle um ausschließliche Beachtung ihrer weiblichen Konsumopfer.
Dezente Musik lullte mich ein; Verkäuferinnen flitzten kundenfreundlich zwischen meiner Süßen und dem Lager hin und her.
Dieses Gewimmel und Gesumm um mich herum verursachte mir allmählich Schwindel. Oder waren es lediglich Hunger und Durst?
„Möckten Sie eine Espresso oder Cappucino?“ startete eine kleine schwarzhaarige Verkäuferin einen plumpen Erpressungsversuch, den ich lächelnd annahm.
Vom langen Stehen und der heiß-trockenen Luft in diesem Etablissement äußerst demoralisiert, lehnte ich mich schwankend an das nächste Regal.
„Guck mal, die sind doch süß, oder?“ Die Schuhe, die mein Schatz mir entgegen hielt, waren tatsächlich so „süß“, wie es zwei Lederstreifen mit angenähten Lederbändchen überhaupt sein können.
Dafür war der Preis ziemlich bitter, fand ich, sagte aber nichts, zu sehr pappte meine Zunge am Gaumen fest. Wo blieb denn nur der Cappucino?
„Komm doch mal zu mir, dann kannst du mir besser helfen, Schatz. Welche Schuhe soll ich denn nehmen?“ fragte sie ausgerechnet mich, den größten Schuhkenner seit Erfindung des Jesuslatschens mit diesem einen Augenaufschlag, der mich immer so wehrlos macht.
Rettung nahte auf leisen Sohlen. Die kleine schwarzhaarige Verkäuferin gab mir eine Tasse brühendheißen Cappucinos , die ich ohne abzusetzen mit einem Zug leerte.
Endlich löste sich meine Zunge wieder vom Gaumen und machte den auftretenden Verbrennungsbläschen in meiner Mundhöhle Platz.
„Du sagst mal wieder gar nichts. Gefallen dir die Schuhe hier etwa nicht?“
„Dosch, dosch“, murmelte ich, dabei meine inneren Wunden leckend.
„Die Italiener machen wirklich die schönsten Schuhe, nicht wahr, mein Schatz?“
„Joh“, entglitt es meinem geschundenem Mund. Vielleicht war das ein weiterer Trick der Damenschuhmafia, den begleitenden Männern allzu heißen Kaffee einzuflößen, um jeden Widerspruch bezüglich der hier vorherrschenden Preispolitik mit allen Regeln der Kunst schon im ersten Aufkeimen zu ersticken.
„Hast du wieder schlechte Laune? Wenn ich mal in Ruhe nach Schuhen gucken möchte ...“
Zum Glück vertiefte sie dieses Thema nicht weiter, sondern fragte mich mit diesem einen Augenaufschlag, Sie wissen schon:
“Wie findeste den?“
Hatte ich schon gesagt, dass sie die schönsten Füße der Welt hat?
Und tatsächlich unterstrich gerade dieser Schuh diese einzigartige Schönheit in einem so überzeugenden Maße, diese Linie, dieser leichte Schwung, ein Meisterwerk italienischer Schuhmacherkunst.
Mir blieb förmlich die Spucke weg, so überwältigt war ich, dass mir der kalte Schweiß ausbrach.
„Die sind ja klasse“, sagte ich begeistert und zeigte auf den Schuh an ihrem rechten Fuß.
„Meinst du den?“, fragte sie mich aufblickend und hielt mir ihren linken Fuß hin.
„Nein, den anderen“, wieder wies ich auf den Schuh an ihrem rechten Fuß.
Sie schnaubte irgendwie verächtlich und sagte vernichtend:“Na, toll. Das sind die Schuhe, die ich schon den ganzen Tag trage.“
Deshalb hatten sie mir also so gut gefallen. Wahrscheinlich hatte ich sie schon damals beim Kauf dieser Schuhe sachverständig beraten.
Warum sie aber jetzt schmollte, wollte mir nicht ganz einleuchten. Hatte sie nicht noch heute morgen behauptet, dass gerade diese Schuhe ihre Lieblingsschuhe wären?
Ein wenig irritiert sah ich mich im Schuhgeschäft um und entdeckte ein winziges Höckerchen, versteckt hinter einem Stapel noch einzuräumender Schuhe.
Dieses Höckerchen eroberte ich mit einem gezielten Sprung, denn in der Liebe und im Krieg sind alle Mittel erlaubt, also auch beim Schuhkauf.
Es wurde dann doch noch ein schöner Nachmittag im italienischen Schuhgeschäft, den ich auf meinem Höckerchen einen Cappucino nach dem anderen trinkend zu ihren Füßen über die Runden brachte.
Mit meiner Hilfe fand meine Angebetete drei Exemplare schönster italienischer Schuhhandwerkskunst, die sie mir dankenswerterweise - wir hatten einen vorübergehenden Waffenstillstand vereinbart - , zum Tragen überließ, als wir in der hereinbrechenden Dunkelheit zu unserem kleinen Hotel schlenderten.
Vielleicht hatte die Küche ja noch geöffnet?! © 2003 Jon

Auf besonderen Wunsch,

eine weitere Szene meiner wilden Ehe

Urlaub?

„Guck mal Schatz, die Sonne scheint.“
Meine Süße steht am offenen Fenster, der Vorhang ist beiseite gezogen.
Tatsächlich, die Sonne scheint und ich liege im Bett, vollkommen geblendet und gähne ausgiebig.
„Ja, schön.“
Allzu frische Luft weht ins Zimmer.
„Möchtest du auch einen Kaffee?“
„Ja“, murmele ich unter der Bettdecke, die ich mir über den Kopf gezogen habe.
Das Wasser kocht lauter werdend vor sich hin, ich drehe mich schwerfällig auf die andere Seite.
„Jetzt kommt der Frühling“, sagt sie, das Märzkind.
„Das ist schön, mein Schatz.“ Jahrelange Erfahrung hat in mir diesen lebensnotwendigen Satz geformt, den ich bei jeder Gelegenheit gefahrlos anbringen kann, außer im Streit. Dann sagt sie:
„Wie kannst du so gemein sein?“
Nein, wenn die Sonne so schön scheint und der Frühling kommt, will ich nicht gemein sein, sondern ihren leckeren Kaffee trinken, den sie mir gerade so liebevoll zubereitet.
So wälze ich mich aus dem Bett, es ist Sonntag, ein Sonntag mit ihr.
Unser Frühstückstisch steht am offenen Fenster. Im Blumenkasten, um den sich natürlich ausschließlich meine Süße kümmert, lassen sich die ersten zaghaften Pflänzchen blicken.
Der Kaffeeduft lockt mich an den Tisch, ihr sonniges Lächeln, das sie mir schenkt, weckt in mir den Wunsch nach einem Kuß.
Das ist ein Leben: Brötchen, frisch aufgebacken, Butter und Honig, dazu eine große Tasse dampfenden Kaffees und vor allem ihr Anblick, der mich immer wieder verzückt.
Jedenfalls so weit ich das mit meinen morgendlich getrübten Augen wahrnehmen kann.
Ja, sie hat recht, ein solcher Morgen lässt einen wunderschönen Tag erwarten.
Draußen zwitschern ein paar glückliche Vögel ihr fröhliches Frühlingslied.
Ich nehme zwei noch warme Brötchen aus dem Korb, zerteile sie und streiche Butter und Honig darauf.
Eins reiche ich meiner Geliebtesten.
„Wohin fahren wir denn dieses Jahr in den Urlaub?“
Kaum zu glauben, dass diese entzückende Person eine solch hinterhältige Frage stellen kann.
Urlaub.
Der Schrecken eines jeden echten Müßiggängers.
Urlaub.
Ich lausche dem Gesang der Vögel, die draußen vor dem Fenster hin und her fliegen, im Kastanienbaum von Ast zu Ast hüpfen, ganz so wie Gott sie schuf. Diese freundlichen Wesen kennen keinen Urlaub, sie genießen ihr kurzes Leben und scheinen äußerst glücklich damit zu sein. Wenn sie Hunger haben, fressen sie, haben sie Durst, trinken sie und sollten sie einmal müde werden, hocken sie sich auf einen ruhigen Ast und schlafen. Sicherlich unternehmen auch einige von ihnen lange Auslandsreisen, aber doch nur aus blanker Not, nämlich aus Futtermangel.
Ich schaue betrübt auf meine Brötchenhälften, die goldgelb vor Honig glänzen. Es hätte ein so schöner Sonntag werden können.
Urlaub bedeutet schon im Vorfeld Mühsal und Plage. Da werden Reisekataloge gewälzt, die mit schrecklich schönen Photos nur den Arglosesten von der Pracht des Urlaubsortes überzeugen können.
Was man da nicht schon alles gehört hat: Riesige Baustellen, statt stattlicher Palmen vor der Hotelanlage. Nein, da brauche ich nur eine kurze Radtour durch unsere Innenstadt zu machen, wenn ich Lust auf Baulärm habe. Oder das Essen ist miserabel. Gut, wenn´s das ist, ich kenne hier gleich um die Ecke eine Pommesbude, ich kann dir sagen, da kommt kein noch so schlechter Restaurantbetrieb mit. Dann gibt es noch Montezumas Rache, den urlaubsüblichen Brechdurchfall. Meine Güte, wenn´s einem danach verlangt, lasse ich eben den Fisch das nächste Mal zwei Tage stehen, bevor er in den Backofen kommt. Das hat einen ähnlichen Effekt und ist ungleich preiswerter.
Hat man sich aber erst einmal zu einem Reiseziel breitschlagen lassen, tritt Phase zwei ein: Die Planung.
Wie viel Geld man braucht, ist schnell ermittelt. Dazu rechnet man noch zirka ein Drittel des errechneten Geldbetrages für den obligatorischen Schuhkauf dazu und stellt entzückt fest, dass man so viel Geld gar nicht zur Verfügung hat, außer man räumt die nächste Bank bis auf die Grundmauern aus.
„Tapetenwechsel“, höre ich sie zwischen zwei Bissen seufzen und schaue meine Wandverkleidung an, die tatsächlich mindestens neu gestrichen werden müsste.
„Mal was anderes sehen“, fügt sie listig hinzu.
„Wofür“, denke ich nicht minder listig, „gibt es Kino. Oder Fernsehen. Oder noch besser Bücher,“ spreche diesen Gedanken aber noch listiger nicht aus.
Phase drei umfasst Planung der notwendigen Reisekleidung, Accessoires und sonstiges, das unbedingt von Bahnsteig zu Bahnsteig geschleppt werden muss, um endlich am Urlaubsziel angekommen, festzustellen, dass man die eine Hälfte getrost hätte zuhause lassen können und die andere ebendort vergessen hat.
Überhaupt, diese Schlepperei. Bin ich denn ein Esel? Selbst die weigern sich, so schwer beladen weiter zu trotteln.
Hier gehe ich an den Schrank, nehme mir das heraus, was ich brauche und voilá, bin schon bereit für den kommenden Tag.
„Das Essen in anderen Ländern ist so wunderbar“, zieht sie geschickt den Trumpf aus dem Ärmel, der bei mir fast immer zieht.
Sie, die den ganzen Tag mit einem Schälchen Salat und einem Schüsselchen Reis auskommt, will mir also den Urlaub schmackhaft machen?
Alleine die Vorstellung vor einem Riesenteller Pasta zu sitzen, den erbarmungswürdigen Anblick ihrer Spatzenportionen vor Augen, lässt die Befürchtung in mir aufkeimen, ihre Gabel in meinem Gericht wiederzufinden:“Das sieht aber doch lecker aus. Laß mich mal probieren.“
Nein, da koche ich lieber am heimischen Herd für zwei Personen und werde wirklich satt.
„Und die fremde Sprache. Wie das klingt“, schwärmt sie mir vor.
Ja, wie klingt das nur?
Erstens spreche ich nur knapp Englisch, Französisch verstehe ich höchstens mit Lippenlesen und Intuition und wo bitte wird noch Latein gesprochen, das ich erwiesenermaßen beherrschen sollte, aber längst erfolgreichst vergessen habe?
„Azzurro“ habe ich hier irgendwo in dieser meiner Wohnung auf CD. Reicht das nicht? Wenn´s drauf ankommt, kann ich noch mit dem russischen Armeechor dienen: „Ej Uchnem“, das Lied der Wolgaschlepper. Und wenn´s Französisch werden soll, in stillen Dämmerstunden lege ich eben Jane Birkin und Serge Gainsbourg auf: „Je T´Aime“.
Da kommt meiner Meinung nach Atmosphäre auf und intime Nähe und nicht in irgendeiner abgelegenen Kneipe am Arsch der Welt, wo man von den Eingeborenen zugequatscht wird, die man wie ein blödes Lämmchen anstarrt, weil man kein Wort versteht und die einem nachher noch den steinalten Fiat 500 hinterm Haus für viel Geld angedreht haben, nur weil alles so nett und ursprünglich war an diesem Abend. Nichts gegen den Topolino, ein wahrhaft knuffiges Automobil, aber wer glaubt allen Ernstes daran, mit solch einem Gefährt über die Alpen zu kommen?
Ich nicht, basta.
Jede Anreise ist doch schon eine Tortour pur.
Fährst du mit dem Zug, lernst du mit Sicherheit eine Horde Fremdenlegionäre kennen, die sturzbetrunken den Zug bevölkert und deine Frau ganz toll findet, während du dich krampfhaft an deinen Sitz klammern musst, um nicht von diesen martialischen Friedensaktivisten bei voller Fahrt hinausgeworfen zu werden, während du deinen anderen Arm schützend um deine Liebste gelegt hältst.
Die Anreise mit dem eigenen Auto, sofern vorhanden, führt zu irreversiblen Haltungsschäden und chronischem Schlafmangel, mal ganz abgesehen von der totalen Motorpanne auf der Hälfte der Strecke, die den willigsten Urlaubsreisenden in seinem Elan um etliches zurückwirft.
Manch einer verfällt da auf´s Fliegen, wobei diese Art des Reisens den entscheidenden Vorteil hat, dass im Falle eines Unfalls keinerlei Reparaturkosten für den Urlauber mehr nachkommen. Auch bei den noch immer modernen Entführungen zeichnet sich ein Trend zu recht radikalen Abschlüssen ab.
„Bleibe im Lande und nähre dich redlich“, ist da eher meine Devise, mag sie auch noch so langweilig klingen.
So schwinge ich mich auf mein Fahrrad, pack´die Badehose ein und strample zum nächsten Café. Dort sitze ich im Schatten mit einem Buch, trinke einen hervorragenden Latte Macchiatto, lausche den Gesprächen, die auf Polnisch, Russisch, Italienisch oder was weiß ich an den Nachbartischen geführt werden und freue mich schon auf die Rückkehr meiner Liebsten, die ihren wohlverdienten Urlaub von mir hoffentlich genauso genießt, wie ich meinen.
Bonne Vacances, mon amour. © 2003 Jon

Samstag, 17. Dezember 2005

Szenen meiner wilden Ehe - Liebesgeflüster

“Schaaatz”
“Schaaatz”
Kennen Sie auch das lange Schatz. Drei a mindestens.
Das läßt hoffen. Da geht man am besten freiwillig zum Kühlschrank, holt das Lieblingsgetränk der Lieblingsfrau heraus, spült das Lieblingsglas der Besten mit klarem, frischem Wasser noch einmal ab und schenkt ein.
Auf dem einzigen und besten Tablett, das man sein eigen nennt, serviert der aufmerksame Mann das Erfischungsgetränk und fragt mit weicher Stimme: “Darf es noch ein wenig mehr sein?”
Sollte es einem gelingen, sämtliche Wünsche der Holden zu erfüllen, ist der Abend gerettet.
Ist das a aber kurz gesprochen, können nur die näheren Umstände der Gesamtsituation klären, in welcher Art und Weise man nun eigentlich “Schatz” ist.
Überlegungen sollten getroffen werden, hat man nicht gespült, ist das Badezimmer nicht glanzrein, habe ich die Toilette nicht blitzblank gerieben, sollte ich mal wieder duschen oder will die Liebste nur einfach Schluß mit einem machen?
Entscheidend in diesem Zusammenhang ist auch, wie die Schönste einen weiter tituliert. Spricht sie plötzlich meinen real existierenden Namen aus, heißt es tief durchzuatmen, sämtliche Sinne auf eine Frontalattacke einzustellen und gaaanz ruhig zu bleiben.
Leicht stellt man fest, dass es sich nur Lappalien handelte. Vielleicht die angeschimmelte Salami im hintersten Winkel des eigentlich ansonsten aufgeräumten, aber vollgestopften Kühlschrankes oder eine nicht ganz so gefährliche Invasion niedlicher Lebensmittelmotten aus der vergessenen Mehltüte im Küchenschrank.
Schwierig wird es erst dann, wenn nur noch mit dem Vornamen gearbeitet wird. Kurz ausgesprochen, den fiesesten Buchstaben des Namens überbetonend.
Kaskaden an Vorwürfen überwältigen selbst den stärksten Mann und lassen ihn sprachlos da stehen in seinem Elend der Unwissenheit.
Taktisch klug wäre es nun zu schweigen, beschwichtigende Gesten vorherrschen zu lassen und ein möglichst betroffenes, aber unschuldiges Gesicht zu machen.
Das wäre gut, aber man ist schließlich auch nur ein Mann und kein Stück Seife.
Also gibt ein Wort das andere, das man besser nicht gesagt hätte, die Wände wackeln, der Boden vibriert und die Nachbarn freuen sich über die kostenlose Liveübertragung.
“Szenen meiner wilden Ehe”.
Am allerschlimmsten aber ist es, wenn sie schweigt.
Schweigt und schmollt. Ein einziger stummer Vorwurf auf der Couch sitzt und dampfend in den Fernseher starrt.
Keine Frage wird mehr beantwortet, selbst bedient werden will sie nun nicht mehr.
Eigentlich denkt Mann da, eigentlich könnte ich jetzt meinen besten, alten Freund besuchen und mit ihm über Frauen, unser Lieblingsthema, reden.
Aber Mann ist ja auch Mensch und zudem noch neugierig. Manch einer, das hängt vom Typ ab ist sogar betroffen, fragt sich, was los ist, gerät ins Grübeln, schaut verstohlen zur Liebsten herüber und ahnt Übles, aber nicht warum.
Da hilft kein “Ach, Schaaatz, was hast du denn?”, sondern nur buddhistische Gelassenheit, gepaart mit indianischer Kriegerlist und männlich herbem Charme.
Zwei Stunden nach dem Fernsehprogramm, man liegt gemeinsam im Bett, die Augen fallen einem bleischwer zu, hört man aus der anderen Ecke des Ringes, zu dem das Bett vorübergehend geraten ist: “Du hast ...”
Endlich kann man aufatmen, denn nun ist alles wieder in bester Ordnung.
Oder etwa nicht? ©2002 Jon

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