Sonntag, 4. Dezember 2005

Das liebe (?) Geld


"Der arme Poet" (1839) -
Carl Spitzweg

"Das Geld ist leider die Sache, für die man im Leben am meisten zahlen muss."

Juliette Gréco

Gesellschaftlich wird der Wert eines Menschen oftmals am Wert seines Besitzes gemessen, sein Sein also dem Haben gleichgestellt.
Je geldwertorientierter eine Gemeinschaft auftritt, desto überwiegender trifft dieses zu.
So wird in weiten Kreisen der USA nicht mehr davon gesprochen, wer jemand ist, welchen Charakter also jemand hat, auch nicht darüber, was er beruflich macht, sondern wieviel er an Wert darstellt:
"He´s a Million Dollar man."
Gestützt wird diese Weltanschauung durch eine falschverstandene These der Evolutionstheorie, die sich auf den Kernsatz Darwins reduziert, dem Survival Of The Fittest, verstanden als Überleben des Stärksten, wobei eigentlich aber das Überleben der anpassungsfähigsten Arten gemeint ist.
Ohne auf dieses Mißverständnis an dieser Stelle einzugehen, scheint es dazu beizutragen, einerseits den Wert des Geldes als Maßstab für den Erfolg eines Menschen zu dokumentieren und andererseits den Wert des Geldes mit dem Wert eines Menschen gleichsetzen zu können.
Wer also seinen Besitz durch welche Methoden auch immer steigert, dessen Wert und Ansehen steigt auch für einen Großteil seiner Zeitgenossen.
Das so geartete System des Kapitalismus stellt also das Haben einer Person in den Mittelpunkt seines Interesses und nicht dessen Sein, welches weitestgehend im Verborgenen bleibt, wohingegen der Geldwert in Tabellen und Statistiken nachzulesen ist.
Während es also vollkommen gleichgültig erscheint, wie jemand "sein Geld gemacht hat", wird jegliches Verhalten einer Person, sei es negativ oder positiv, das sie auf dem Weg zum Reichtum an den Tag gelegt hat, nachträglich legitimiert; es zählt nur der Erfolg und das daraus resultierende Ansehen, der soziale Status.
Wenn aber ausschließlich das Haben im Mittelpunkt des Strebens steht und gesellschaftlich erwünscht erscheint, so wird das Haben-wollen um jeden Preis zum Fetisch, zum Goldenen Kalb, während das Sein zum Schattendasein verurteilt ist.
Um dieses System auch moralisch zu untermauern, wird den Erfolglosen vorgegaukelt, dass jeder seines Glückes Schmied wäre, jeder habe die Chance, aus seinem Leben das Optimale "herauszuholen", was nachweisbar nicht stimmt (diesen Blödsinn erzähle man zum Beispiel einmal einem brasilianischem Kind, das sich vom Abfall einer aufstrebeneden Wohlstandsgesellschaft ernähren muss oder einem fünfzigjährigem deutschen Erwerbslosen, der zwar hochqualifiziert, aber den Unternehmern zu alt ist. Die meisten Millionäre in Deutschland haben sich ihren Reichtum nicht verdient, sondern diesen geerbt, also vom Schmieden eines Vorgängers profitiert usw. usf.)
Eine weitere moralische Legitimation für das System der geldwertorientierten Gesellschaft sind die vielen "Wohltätigkeitsveranstaltungen", die in den USA und anderen Wohlstandstaaten abgehalten werden. Diese "Wohltätigkeit" ist also keine reine Menschenfreundlichkeit, sondern die Kehrseite Medaille, dient sie doch einerseits dazu, sein Gewissen zu beruhigen, vielmehr aber
andererseits sich nach außen hin als moralisch wertvoll zu präsentieren und eventuelle Fragen, wie es zu diesem Reichtum gekommen ist, im Keim zu ersticken.
Während den nicht Reichen Religion und sittliches Empfinden überlassen bleibt, sie also nach Werten, die nicht Besitz verkörpern, zu streben haben, um den gesellschaftlichen Frieden nicht zu gefährden, kann sich der Wohlhabende darüber hinwegsetzen, denn er erfährt quasi doppelte Absolution: Einerseits wird sein Verhalten nachträglich durch seinen Erfolg legitimiert, andererseits kann er sich durch scheinbares Wohlverhalten, indem er spendet, Almosen verteilt usw., freikaufen von eventuell moralischer Schuld, die er auf seinem Weg zum Wohlstand auf sich geladen haben könnte.
Hier stellt sich dann allerdings die Frage, wer in Wahrheit reicher ist:
Derjenige, dessen Leben einem, außerhalb seines Selbst stehenden, Fetisch verpflichtet ist oder derjenige, der sich um die Weiterentwicklung seines Seins, sich also um den Zuwachs seiner "inneren Werte" bemüht.
Es geht folglich nicht um Neid auf Wohlhabende oder Reiche, denn wer diese beneidet, strebt deren Leben selbst an und ist stets bemüht, es ihnen nachzutun, sondern vielmehr darum, für sich selbst zu erkennen, für welche Werte man sich hauptsächlich entscheiden will.
Da wir alle in einer geldwertorientierten Gesellschaft leben, in der die eigene Existenz nicht ohne Geld lebenswert zu erhalten ist, kann es dabei nur auf einen Kompromiss hinauslaufen, zu beantworten mit den Fragen:
Was brauche ich?
Und wer will ich wirklich sein?

Zitate

* Geld ist besser als Armut - wenn auch nur aus finanziellen Gründen.

Woody Allen

* Kein Vergnügen ist so leicht zu haben wie eine nette Konversation. Sie kostet kein Geld, bringt Gewinn, erweitert den Horizont, begründet und pflegt Freundschaften und läßt sich in jedem Alter und so gut wie jeder gesundheitlichen Verfassung genießen.

Robert Louis Stevenson

 

* Ein reicher Mann ist oft nur ein armer Mann mit sehr viel Geld.

Aristoteles Onassis

 

* Es gibt Leute, deren Herzen gerade in dem Grad einschrumpfen, als ihre Geldbörsen sich erweitern.

Aldous Huxley

 

* Vielleicht verdirbt Geld tatsächlich den Charakter. Auf keinen Fall aber macht ein Mangel an Geld ihn besser.

John Steinbeck

* Das Unerfreulichste am Geld ist, dass je weniger davon vorhanden ist, man sich desto mehr Gedanken darum machen muss.

Jon

 

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