Sonntag, 4. Dezember 2005

Sartre, die Liebe und kein Hund


Sartre, die Liebe und kein Hund

Es war stürmisch, aber Sartre ging wie jeden Tag am Strand spazieren.
Er liebte es, den Wind, der ihm kühl und feucht ins Gesicht schlug zu spüren, die ewige Musik des aufgewühlten Meeres zu hören, im aufgeweichten Sand seine Spuren zu hinterlassen, die am nächsten Morgen schon längst wieder fortgewischt sein würden, wenn er wieder hierher kam, an die See.
Der klamme Westwind hob Sartres weiten Mantel an, während er, wie immer die Hände auf dem Rücken verschränkt, nach vorne gebeugt vorwärts schritt und seinen Gedanken nachhing.
Sartre erinnerte sich an seine Kindheit, an die umfangreiche Bibliothek seines Großvaters, an die vielen Bücher, die er gelesen hatte, wenn er wieder das Bett hüten mußte, weil ihn irgendeine Infektion, ein Schnupfen etwa, eine Halsentzündung oder ein schmerzender Zahn so sehr schwächte.
Die Wörter.
Jedes einzelne hatte seine eigene Bedeutung, die sich auf zauberhafte Weise erst dann vollständig enthüllte, wenn sie sich zu einem Satz, einem Kapitel, einer Erzählung oder einem Roman fügten.
Er dachte an Simone, an ihre Liebe zu ihm und all die anderen Frauen in seinem Leben, die ihn geküsst hatten, die ihn verehrten, obwohl er doch so hässlich war, mit seinem schrägem Blick, der auf nichts gerichtet zu sein schien und vielleicht deshalb ...
Sartre setzte seinen einsamen Spaziergang am Strand fort, fand ein angespültes Stück Treibholz, hob es auf und bewegte es in seiner Hand.
"Wäre ich ein Mann mit einem Hund, so würde ich jetzt in diesem Moment aufhören über die Liebe und die Worte nachzudenken und diesen Stock weit über den Strand hinaus ins Meer werfen. Ich würde dem Hund zusehen, wie er diesem Stock hinterher hetzen würde und sich mir, seinem Herrn zu Füßen, die Beute unter den Pfoten, legen würde und auf mein Lob horchte.
 >Braver Hund<, würde ich dann sagen, wie es alle tun, die einen solch´ treuen Begleiter haben, der sie zu lieben scheint, aber ihnen in Wahrheit nur sklavisch ergeben ist.
Nein, einen Hund wollte ich noch nie haben, obwohl es schmeichelhaft scheint, derart geliebt zu werden."
Sartre warf den Stock ins Meer und sah zu, wie dieser auf den Wellen tanzte.
Er ging auf die Dünen zu, von denen er wußte, dass dahinter ein ausgetretener Weg zu einem ruhigen Café begann, in das nur Einheimische gingen und keine Touristen, die einander anstoßen würden, sobald er sich an den Tisch am Fenster in der Ecke gesetzt hatte:
"Sieh mal, ist das nicht ...?"
Die Einheimischen erkannten Sartre fast schon als einen der Ihren an, einen der sie in ihrer Sprache nach dem Fischfang und den Marktpreisen fragte oder sich ganz einfach mit ihnen über das wechselhafte Wetter unterhielt.
Ein Fremder, aber einer, der sich für ihr Leben interessierte, obwohl er aus der großen Stadt kam und sehr berühmt war.
So ließen sie ihn in seiner Fensterecke seinen Roten trinken, prosteten ihm bisweilen zu und luden ihn zu einem Fischgericht ein.
Allmählich verfinsterte sich der Himmel und der Sturm wurde stärker.
Auf dem höchsten Punkt der Düne drehte Sartre sich um und betrachtete den Strand und das Meer.
Als der Regen anbrach, stieg er vornübergebeugt den Weg zum Café herab.
 
© 2003 Jon

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