Gegen die Banalisierung des Unaussprechlichen
soll die Aktion des spanischen Künstlers Santiago Sierra in Pulheim-Stommeln gerichtet sein, bei der in "245 Kubikmetern" eines ehemaligen jüdischen Bethauses dem Kunstinteressierten das Gefühl vermittelt werden soll, in eine Gaskammer geraten zu sein, wenn mittels Schläuchen Autoabgase ins Gebäude gelassen werden, das nur in Begleitung eines Feuerwehrmannes und mit einer Gasmaske vor dem Gesicht betreten werden darf.
Doch gerade dieser Banalisierung des unaussprechlichen Grauens, das bei jedem einigermaßen sensiblen Menschen durch Dokumentarfilme annähernd nahegebracht wird, leistet Sierra Vorschub, indem er die Unmenschlichkeit des Holocausts auf eine Minimalformel herunterrechnet, die der Boulevardisierung schwieriger Themen entspricht, bei denen das Leiden vieler als Hintergrund für eine hollywoodgleiche Inszenierung bagatellisiert wird, wie zum Beispiel im Fernsehzweiteiler "Dresden", in dem die Bombardierung und Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg als dramatische Kulisse für eine schnulzige Liebesgeschichte herhält, so reduziert Sierra die Ermordung von Millionen Menschen während des Dritten Reiches auf eine simple Provokation, die niemandem ernsthaft das wirkliche Leiden der Ermordeten angesichts der Mordmaschinerie näherbringen kann, denn es ging für diese Menschen um Leben und Tod, dem sie nackt und ohne Gasmaske und Begleitschutz ausgesetzt waren, dem sie nicht entrinnen konnten.
Selbst wenn man moralische Bedenken außer acht lässt und Sierra nur an seinem eigenen Absicht misst, so hat er selbst das bestätigt und wiederholt, gegen das er angeblich angetreten ist, denn er hat etwas, wovon man eigentlich nicht sprechen kann, da es unser Vorstellungsvermögen übersteigt, nur in allerbanalster Form zum Ausdruck bringen können, seinen eigenen Anspruch also selbst ad absurdum geführt und das in höchst unsensiblem Maße und Unverständnis für dieses Thema.
Es geht mir also weniger um moralische Verurteilung dieser Aktion, als vielmehr um einen ästhetischen Widerspruch, den Sierra nicht nur nicht aufzulösen vermag, sondern dem er letztlich unterliegt:
Wer mit einer Gasmaske geschützt, von Feuerwehrleuten begleitet diese 245 Kubikmeter voller Autoabgase betritt, wird sich nicht empathisch mit den Opfern identifizieren können, denn er schwebt nicht in Lebensgefahr oder weiß, dass er sterben wird, sondern erlebt etwas vollkommen anderes als jedes Holocaustopfer; der Kunstfreund bekommt ein Placebo verabreicht, das ihm bei aller Lebenssicherheit, aus der er in den Kunstraum tritt, niemals das Gefühl vermitteln kann, das ihm Sierra angeblich vermitteln möchte.
Er scheint den Opfern vielleicht näher gekommen zu sein, doch wesentlich näher kommt ein wirklich einfühlsamer Mensch dem Grauen der Shoa, wenn er sich selbst auf einer emotional-intellektuellen Ebene dem Leiden der Opfer aussetzt, indem er deren Berichte liest, sich Dokumentarfilme zum Thema anschaut.
Doch vielleicht ist im Zeitalter der Extremsportarten, der "Event-Kultur" und des "Trash-TV" gerade diese Fähigkeit des Mitgefühls derart verkümmert, dass solche Kunstaktionen manch einem Kulturbeflissenen als letztes Mittel zum Zweck erscheinen, Nachdenken, wenn schon nicht Einfühlen zu provozieren. Jon
Kunstaktion Gaskammer - Santiago Sierras merkwürdige Inszenierung der Erinnerung:
http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/kulturzeit/themen/89831/index.html
An die Wand gestellt - Santiago Sierras Kunstaktion "The Punished":
http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/kulturzeit/themen/90041/index.html
Doch gerade dieser Banalisierung des unaussprechlichen Grauens, das bei jedem einigermaßen sensiblen Menschen durch Dokumentarfilme annähernd nahegebracht wird, leistet Sierra Vorschub, indem er die Unmenschlichkeit des Holocausts auf eine Minimalformel herunterrechnet, die der Boulevardisierung schwieriger Themen entspricht, bei denen das Leiden vieler als Hintergrund für eine hollywoodgleiche Inszenierung bagatellisiert wird, wie zum Beispiel im Fernsehzweiteiler "Dresden", in dem die Bombardierung und Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg als dramatische Kulisse für eine schnulzige Liebesgeschichte herhält, so reduziert Sierra die Ermordung von Millionen Menschen während des Dritten Reiches auf eine simple Provokation, die niemandem ernsthaft das wirkliche Leiden der Ermordeten angesichts der Mordmaschinerie näherbringen kann, denn es ging für diese Menschen um Leben und Tod, dem sie nackt und ohne Gasmaske und Begleitschutz ausgesetzt waren, dem sie nicht entrinnen konnten.
Selbst wenn man moralische Bedenken außer acht lässt und Sierra nur an seinem eigenen Absicht misst, so hat er selbst das bestätigt und wiederholt, gegen das er angeblich angetreten ist, denn er hat etwas, wovon man eigentlich nicht sprechen kann, da es unser Vorstellungsvermögen übersteigt, nur in allerbanalster Form zum Ausdruck bringen können, seinen eigenen Anspruch also selbst ad absurdum geführt und das in höchst unsensiblem Maße und Unverständnis für dieses Thema.
Es geht mir also weniger um moralische Verurteilung dieser Aktion, als vielmehr um einen ästhetischen Widerspruch, den Sierra nicht nur nicht aufzulösen vermag, sondern dem er letztlich unterliegt:
Wer mit einer Gasmaske geschützt, von Feuerwehrleuten begleitet diese 245 Kubikmeter voller Autoabgase betritt, wird sich nicht empathisch mit den Opfern identifizieren können, denn er schwebt nicht in Lebensgefahr oder weiß, dass er sterben wird, sondern erlebt etwas vollkommen anderes als jedes Holocaustopfer; der Kunstfreund bekommt ein Placebo verabreicht, das ihm bei aller Lebenssicherheit, aus der er in den Kunstraum tritt, niemals das Gefühl vermitteln kann, das ihm Sierra angeblich vermitteln möchte.
Er scheint den Opfern vielleicht näher gekommen zu sein, doch wesentlich näher kommt ein wirklich einfühlsamer Mensch dem Grauen der Shoa, wenn er sich selbst auf einer emotional-intellektuellen Ebene dem Leiden der Opfer aussetzt, indem er deren Berichte liest, sich Dokumentarfilme zum Thema anschaut.
Doch vielleicht ist im Zeitalter der Extremsportarten, der "Event-Kultur" und des "Trash-TV" gerade diese Fähigkeit des Mitgefühls derart verkümmert, dass solche Kunstaktionen manch einem Kulturbeflissenen als letztes Mittel zum Zweck erscheinen, Nachdenken, wenn schon nicht Einfühlen zu provozieren. Jon
Kunstaktion Gaskammer - Santiago Sierras merkwürdige Inszenierung der Erinnerung:
http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/kulturzeit/themen/89831/index.html
An die Wand gestellt - Santiago Sierras Kunstaktion "The Punished":
http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/kulturzeit/themen/90041/index.html
Schreibmaschinist_Jon - 17. Mär, 15:26