Donnerstag, 8. Dezember 2005

High Noon für Deutschlands Männer

1972

Die Welt schien noch in Ordnung.
Doch immer mehr Frauen emanzipierten sich von den drei K:
Kinder, Küche, Kirche.
Und immer mehr Männer drohten an akutem Hungertod zu sterben, weil die heimische Küche allzu kalt blieb.
Von belegten Broten zehrten sie, bis sie mit eingefallenen Wangen schwankend in ihre Opel Kadetts stiegen und nicht wenige Unfälle aufgrund gehäufter Ohnmachtsanfälle zu verzeichnen waren.
Einige wenige schafften es nach langem Training bis zur Mittagspause und stürmten mit geheultem "Mahlzeit" die Werkskantinen.
Doch auch hier klecksten ihnen im Krieg der Geschlechter versierte Köchinnen lediglich ein winziges Häufchen dünnen Kartoffelbreis auf den unendlich öd erscheinenden Teller.
Drei Erbsen, im Sinne kalorienbewusster nouvelle cuisine, umrahmten dekorativ positioniert matt-grün gräulich schimmernde Frankfurter im zarten Saitling, dazu ein Tütchen Senf und der lukullische Höchstgenuss war perfekt.
Das alles für DM 3,50.
So konnte es nicht weitergehen.
Nicht nur die Männer lagen geschwächt danieder, sondern auch die westdeutsche Wirtschaft brach immer mehr ein.
Vielfach wird die damalige Ölkrise als Ursache für den Rückgang des Bruttosozialproduktes jener Tage verantwortlich gemacht, aber Insider wissen, dass in Wahrheit knurrender Hunger die arbeitende männliche Bevölkerung derart lähmte, dass ein weiterer Verfall der Arbeitsmoral, frei nach den Worten Brechts, "erst kommt das Fressen und dann die Moral", zu befürchten war.
So sah sich ein Lebensmittelhersteller genötigt, auch männlichen Kunden, ihrer angeborenen Kochkünste aufgrund weiblicher Vorherrschaft auf diesem Gebiet entwöhnt, ein Produkt anbieten zu müssen, sollte Deutschland nicht unter der Last der weiblichen Emanzipation zusammenbrechen.
Mehrere Jahre harter Entwicklungsarbeit in den Labors waren notwendig, nicht nur ein Tütenessen zum günstigen Preis auf den Markt zu bringen, sondern es auch schmackhaft und gehaltvoll zu gestalten.
Im Jahre 1972 war es endlich soweit.
Erkenntnisse aus der amerikanischen und sowjetischen Raumfahrerbeköstigung erlaubten nun die preisgünstige Produktion sogenannter substitutioneller Nahrungsmittel, die auch ein Mann zu kochen in der Lage sein müsste.
Und tatsächlich gingen die neuen Erzeugnisse weg wie warme Semmeln.
Vor allem Frauen griffen gerne zu und brachten ihren Männern die neuen Leckereien sehr schnell nahe:
"Guck mal Schatz, was die Chemiker da Schönes für dich gemacht haben. Brauchst du nur mit Wasser anzurühren und schwups, bist du schon satt. Kannst du gleich mal ausprobieren. Ich treff mich mit meiner Frauengruppe in der Stadt. Schuhe kaufen. Soll ich dir noch den Herd einschalten, oder kommst du alleine klar?"
Die Männer gewöhnten sich schnell an den neuen Zustand, mussten sie doch jetzt nicht mehr länger von trockenem Brot mit Wasser leben.
Auch Wirtschaft und Handel konnten binnen weniger Monate enorme Zuwachsraten verzeichnen, vor allem im Bereich "Damenschuhe".
Woran man mal wieder sieht, wie viel gesellschaftliches Potential in so 'nem kleinen Pappschächtelchen stecken kann. © 2003 Jon

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