Sonntag, 11. Juni 2006

Plädoyer für humanistische Leitkultur

Weltoffene Demokratie
VON JULIAN NIDA-RÜMELIN


Schon kurz nach seiner Wahl hat der neue Bundestagspräsident Norbert Lammert zu einer neuen Diskussion um Leitkultur aufgerufen, die seither hohe Wellen schlägt. In der Tat, der Begriff "Leitkultur" ist riskant. Ursprünglich als "europäische Leitkultur" schon vor Jahren von dem an der Universität Göttingen lehrenden muslimischen Politikwissenschaftler Bassam Tibi eingeführt, um die Notwendigkeit eines an den Werten des europäischen Humanismus und der Aufklärung orientierten Islam zu begründen, wurde er rasch von rechts deutschtümelnd instrumentalisiert: Die Immigranten sollten sich an die deutsche Lebensform anpassen, oder wie Edmund Stoiber in seiner diesjährigen Aschermittwochsrede emphatisch ausrief: "Bayern ist nicht Botswana!"
Sofern eine solche Anpassung ohne entsprechende Differenzierung gefordert wird, liefe "Leitkultur" auf "Assimilation" hinaus. Wir würden es jedoch entrüstet ablehnen, wenn deutsche Ingenieure in Shanghai, die gegenwärtig dort in großer Zahl arbeiten, von chinesischer Seite aufgefordert würden, sich in ihrer Lebensart der chinesischen Mehrheitskultur zu assimilieren. Wir halten es geradezu für ein Grundrecht des deutschen Ingenieurs in Shanghai, dass er kulturell Deutscher bleiben darf, zu Hause und mit Freunden seine deutsche Sprache sprechen, deutsche Essgewohnheiten und Kleidungssitten beibehalten und deutsche Umgangsformen pflegen kann. Was wir für uns im Ausland in Anspruch nehmen, das sollten wir auch Ausländern in unserem Land zubilligen...
Quelle: http://www.fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/feuilleton/?cnt=901661
Matthias Gerhards - 13. Jun, 18:20

Wir alle haben das Recht jederzeit eine Parallelgesellschaft zu eröffnen.

Wenn es mir gefällt, kann ich in Oberbayern an einem lateinischen Gottesdienst teilnehmen und anschliessen mit einer Menge Menschen reden, deren Deutschkenntnisse nur als extrem schlecht bezeichnet werden können. Darüber hinaus leben sie in kleinen ländlichen Gettos wo sie nur ihres Gleichen begegenen und gar kein Bedürfnis haben sich an der Berliner Leitkultur zu orientieren.

Aber ich finde man darf eine Leitkultur propagieren. Nämlich eine, die durch ihr Vorbild leitet.

Schreibmaschinist_Jon - 13. Jun, 19:01

>Nämlich eine, die durch ihr Vorbild leitet.<
Und genau da wird´s schwierig...
Matthias Gerhards - 14. Jun, 10:30

Aber die Deutschen sind in vielen Dingen vorbildlich. Umwelschutz, soziales Bewußtsein, Innovationswille das ist alles stark ausgebildet in Deutschland, wenn man es mit dem europäischen Ausland vergleicht. Also wir könnten das Geschwafel von der Leitkultur einstellen und uns darauf konzentrieren unsere Gesellschaft zu verbessern, unsere Bildung, unsere Kunst und durch unsere kulturellen wie wirtschaftlichen Leistungen zu glänzen und damit als Kultur für unsere Einwanderer attraktiv zu werden. Eine aktive Einwanderungspolitik wäre auch ein Baustein dazu. Ich finde die Türken dürfen Türken bleiben, auch wenn sie in Deutschland leben. Aber wenn sie wollen, können sie auch Deutsch-Türken werden und einen Teil der deutschen Kultur und Werte annehmen. Dass sich alle Bürger eines Landes an das gleichen Strafrecht zu halten haben und ein Mord ein Mord bleibt, versteht sich von selbst.
Schreibmaschinist_Jon - 14. Jun, 10:36

Einverstanden.
Matthias Gerhards - 14. Jun, 11:00

Das Problem ist vielleicht eher, dass die Deutschen heute ebenso eifrige Demokraten sind, wie sie zu Kaiserszeiten Nationalisten waren. Den Herrn mit Schnäuzer, will ich hier nicht überstrapazieren. Unsere Eifrigkeit ist vielleicht der unsympatischste Zug an uns. Gepaart mit einer unspezifischen Angst! In England sagt man sogar: "German Angst". Also seien wir gelassener mit uns!
lejuge - 17. Jun, 22:12

Leitkulturevolution.de

Die Europäer in Deutschland haben nur eine Leitkultur: die der Charta der Grundrechten, die ihnen das Recht gibt, sich einzumischen. Deshalb zur Forderung nach Deutschen Leitkultur antworten sie mit der Forderung nach Leitkulturevolution.

www.leitkulturevolution.de

Matthias Gerhards - 18. Jun, 19:36

Öhhh, da is nix! Aber was ist eine Leitkulturrevolution?
Schreibmaschinist_Jon - 18. Jun, 22:45

isch würde mal sagen: SPAM?
Matthias Gerhards - 18. Jun, 23:31

Aber immerhin wird uns auf der Seite in französischer Sprache verkündet, dass diese Seite nicht existiert. Und den letzten Satz "Deshalb zur Forderung nach Deutschen Leitkultur..." könnte ich mir mit französischem Akzent gut vorstellen. Sagen wir von Daniel Goeudevert elegant vorgetragen und provkant vertreten. Niemand weiss so recht was er sagen will, aber Alle finden es irgendwie geistreich.
Matthias Gerhards - 18. Jun, 23:34

Oha, jetzt ist die Seite wieder online.

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