Freitag, 9. Dezember 2005

Ein Fall für Blei - Fall 1: Der Gummistiefel

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Montag, 23. Juli 2012

Kommissar Blei stand wieder mal vor einem Rätsel.
Diesmal handelte es sich um einen Gummistiefel, der als Einzelstück in einem verlassenen Wohngebiet gefunden worden war.
Die kriminaltechnischen Untersuchungen ergaben kein eindeutiges Bild; festzustellen war lediglich, dass es sich hierbei um ein Modell der Marke Dunlop aus den späten 80er Jahren handeln musste, blau, mit abgenutztem Sohlenprofil, Größe 44 rechts, innen abgewetzt, mit starken Schweißspuren.
Die DNA-Untersuchung des Schweißes ergab, dass der Gummistiefel von mehreren Personen getragen worden sein musste.
Damit schien der erste Verdacht erhärtet zu sein, dass dieser Gummistiefel zu verschiedenen kriminellen Zwecken eingesetzt worden war.
Aufgrund der vorliegenden Ergebnisse wurde ein Phantombild des abgängigen linken Gummistiefels erstellt und dieser zur Fahndung ausgeschrieben.
Doch selbst nach mehrmonatiger Suche waren keine nennenswerten Resultate vorzuweisen, obwohl jeder Polizist im Land ein Foto des Gesuchten bei sich trug, diverse Zeitungen das Bild abgedruckt hatten und einige Zeugen, die sich allerdings im eingehenden Verhör als unseriös herausgestellt hatten, behaupteten, den gesuchten linken Gummistiefel nicht nur gesehen, sondern sogar getragen zu haben.
Kommissar Blei wurde von seinem Vorgesetzten Doktor Guntram Aluminium zu knallharten Ermittlungen aufgefordert.
Blei fuhr zum Tatort, nicht ohne vorher seine Waffe, die generalüberholte Walther PPK seines Großvaters geladen und entsichert eingesteckt zu haben.
Schon auf dem Weg, stellte er eine Verschlechterung der Straßenverhältnisse fest und musste nach Einbiegen ins soziale Randgebiet der Provinzgroßstadt einige Halbwüchsige fortjagen, die ihm anboten, die Windschutzscheiben zu putzen.
Als er endlich am Tatort angekommen der Polizeileitstelle über Funk Meldung machen wollte, bemerkte er das Fehlen der Antenne.
Achselzuckend stieg er aus dem Fahrzeug und sah auf sein Auto: Die funkelnagelneuen Radkappen waren ebenfalls abmontiert, außerdem schien die Heckklappe offen zu stehen.
Doch mehr als das: Sie war nicht mehr vorhanden.
Blei wusste nun, dass er sich in Lebensgefahr befand, denn wer so dreist stahl, würde auch vor seinem erst einjährigen Herzschrittmacher nicht Halt machen, den er jetzt per Fernsteuerung auf Turbobetrieb stellte, um wachsamer der Situation gewachsen zu sein.
Mit hochrotem Kopf zückte er seine Pistole und ging auf das Gelände mit den Ruinen zu, auf dem der rechte Gummistiefel vor über einem Jahr gefunden worden war.
Erwartungsgemäß verfinsterte sich der Himmel, dunkle Wolken zogen dräuend auf und Blei sehnte sich nach einem warmen Fußbad.
Aber er musste mit seiner Untersuchung des Falles voran kommen und Doktor Aluminium ein Ergebnis vorlegen, sonst würde nichts aus seiner Pensionierung in vierunddreißig Jahren und er müsste wieder an irgendeiner stillgelegten Kreuzung den Verkehr regeln.
Was würde seine Frau dazu sagen? dachte Blei, doch dann fiel ihm ein, dass er gar keine Frau hatte und er beruhigte sich allmählich.
Seit achtundzwanzig Jahren war er jetzt im Polizeidienst und hatte noch jeden Fall gelöst, da würde ihn auch ein verschwundener linker Gummistiefel nicht aus der Karrierelaufbahn werfen.
Blei zog den gelben Gummiregenmatel enger um seine Schultern, ging einige Probeschritte mit den grünen Gummistiefeln, die ihm aus der Bekleidungskammer mitgegeben worden waren und kämpfte sich gegen den aufgekommenen Sturm auf das schmutzig graue Haus zu, in dem vor Jahren noch viele Menschen gewohnt hatten.
Der Regen peitschte ihm ins Gesicht, ein Hund kam auf ihn zugelaufen, schnüffelte an seinem Bein und pinkelte es an.
Blei erschoss ihn auf der Stelle, schleifte ihn zu einem verwilderten Gebüsch und zerrte ihn unter die Zweige.
Es hatte keinen Zweck, er musste seine regenverschmierte Brille abnehmen, konnte deshalb außer dem Haus kaum noch etwas erkennen.
So übersah er die tiefe Schlammpfütze, in der er mit dem linken Fuß stecken blieb und er bemerkte nicht, dass er dabei seinen Gummistiefel verlor.
Blei wankte weiter auf das Gebäude zu, hörte hinter sich jemanden rufen und schoss, sich auf den Boden werfend, bis die Stimmen verstummten.
Ein ungeheurer Blitz zuckte über das Brachland.
Blei erkannte schwach einige auf dem matschigen Boden liegende Gestalten, bemerkte den Verlust des Gummistiefels und humpelte auf dem rechten Bein auf diese zu.
Dort lagen zwei Polizisten in Uniform, die, wie Kommissar Blei erfahren feststellte, mehrere Schussverletzungen aufwiesen und offensichtlich tot waren.
Blei humpelte entsetzt bis zu einer Schlammpfütze weiter, in der er seinen verlorenen Gummistiefel vermutete.
Tatsächlich fand er nach beherztem Zugriff das gesuchte Stück, wobei er allerdings seine Walther PPK verlor, zog den Stiefel an und rannte zu seinem Wagen.
Dann raste er so schnell wie möglich zum Polizeipräsidium und ging direkt zu seinem Vorgesetzten Doktor Guntram Aluminium.
"Haben die Kollegen Sie am Tatort angetroffen?", fragte dieser, "wir hatten Ihnen zur Verstärkung eine Polizeistreife hinterhergeschickt, da der Funkkontakt abgebrochen war."
Blei konnte seinem blasser werdendem Chef nur die Meldung machen, dass Unbekannte, die wohl die Aufklärung des Gummistiefelfalles vereiteln wollten, die beiden Beamten erschossen und auf ihn selbst einen gefährlichen Kampfhund gehetzt hätten, der aber ebenfalls von irgendjemandem getötet worden war, wahrscheinlich um keine Zeugen zu hinterlassen.
"Was tragen Sie eigentlich für eine ulkige Kombination an den Füßen?", fragte Doktor Aluminium lächelnd, der sich mit einem Schluck aus seinem Flachmann beruhigt hatte.
Blei sah an sich herunter und begann zu lachen:
"Das ist ja merkwürdig," sagte er mit Tränen in den Augen, "woher kommt denn nur dieser blaue, linke Gummistiefel, Größe 44, Marke Dunlop aus den 80er Jahren?"
Obwohl er den Fall des verschwundenen linken Gummistiefels nie hatte aufklären können, erhielt Blei wegen Einsatzes unter Lebensgefahr eine Belobigung von ganz oben. © Jon

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