Tango
Jegliche geheuchelte Freude wich aus den verstummten Politmumien, die sich um die aufblasbare Kanzlerinnenattrappe scharten, als Harry Muaner den Tanzsaal betrat, die Parteisekretärin der A.narchisten U.nion A.llgäus zu sich heranzog und sie mit leichtem Hüftschwung über sein Tangoknie bog, bis ihr straff nach hinten gesträhntes pferdemähnenstarkes, strohduftendes Blondhaar mit sanftem Peitschenklang über den frisch gebohnert- und gewachsten Parkettboden strich, dem Rhythmus ergeben im Einklang mit sich und dem weiten Kosmos, dessen balkenbewehrter überdachter Horizont zwar den freien Blick verwehrte, aber das Gefühl tiefer Lebenslust derart auf den Mittelpunkt ihres Seins fokussierte, dem sie sich nur allzu gern hingab, in diesem Moment vollkommen geistigen Vakuums, welches seit langem schon jede phantasievolle Weiterentwicklung dieser, in sich geschlossen wirkenden, aber auch der, von diesen dekadenten Vergnügungen der selbsternannten Elite ausgeschlossenen, Gesellschaft sinnentleert beherrscht hatte, wirbelte sie nun, derwischgleich um sich selbst, eine eigene Achse wie ihr schien, die sie bislang stets gesucht, aber erst in Harry Muaners Armen gefunden hatte, der sie von sich zu befreien schien, um sie gleich darauf wieder an sich zurückzugeben, mit einem neuen Begriff von sich, einer Vorstellung, die sie vorher nicht von sich gehabt hatte, als sie sich bei jeder weiteren Drehung an ihn geschmiegt, von ihm geworfen, sich in dem wandhohen Spiegel vorübergleiten sah, verwischt und unklar in der kreisenden Bewegung zweier Körper im Raum, in all ihrer ursprünglichen Reinheit eins und erlöst von dieser solitären Getrenntheit, die wir in der Liebe zu überwinden meinen, um dann umso schmerzhafter nach dem ersten Rausch zu erkennen, wie sehr wir uns auch darin irrten, wenn wir unsere Sehnsucht im anderen gespiegelt glaubten, so lange dieser Tanz uns glücklich täuschte.
Schreibmaschinist_Jon - 23. Mai, 20:12