Zitat: >Die Frage, ob ein Schöpfer existiert, ist in diesem Kontext schlichtweg belanglos, und der
weltimmanente Naturalismus, der allen Naturwissenschaften zugrundeliegt, ist kein Atheismus in dem Sinne, daß er die Existenz außerweltlicher Faktoren grundsätzlich bestritte!
Auch die Evolutionstheorie, das muß in aller Deutlichkeit festgestellt werden, bestreitet nicht die Existenz eines Schöpfers, ist doch auch die Zahl derer, die an Evolution und Schöpfung glauben, unabschätzbar groß. (2) Einzig und allein die intellektuelle Gefahr, die aus dem Widererstarken der fundamentalistischen Strömungen erwächst, erzwingt eine kritische Auseinandersetzung, denn deren Ziel besteht darin, wissenschaftliche Theorien aufgrund von Glaubensinhalten zu revidieren und die Kritik unter dem Deckmantel der Wissenschaft zu präsentieren. Diesen Motiven Bewegung gilt es aus zweierlei Gründen Widerstand entgegenzusetzen:
Zum einen stellt unser gegenwärtiger Erkenntnisstand ein Allgemeingut dar, das wir nicht leichtfertig aufs Spiel setzen dürfen. Da Antievolutionisten (Kreationisten im weiteren Sinne) stets konterrevolutionär in Erscheinung treten, drohen die Einsichten, die uns die modernen Naturwissenschaften in die Welt gewähren, schleichend im Obskurantismus zu zerfasern. Wenn wir mit anderen Worten irgendeine wissenschaftliche Theorie gegen die Schöpfungsthese eintauschten, könnten wir die revolutionären Einsichten und mit dazuhin auch die Methodenlehre der Naturwissenschaften abschreiben.
Andererseits beinflußt der allgemeine Wissenshintergrund, den uns die Naturwissenschaften vermitteln, stets auch unsere Weltsicht, Denk- und Handlungsweisen in einem nicht unerheblichen Maß. Es ist kein Zufall, daß just mit der Aufklärung und Renaissance der Neuzeit (als die Erkenntnis in unser Bewußtsein eindrang, daß wir für unser Tun und Handeln selbst verantwortlich sind und keine götterartige Wesenheit in unser Leben eingreift) das absolutistische Herrschaftssystem, das auf einer gottgewollten Ordnung gründete, allmählich den modernen westlichen Demokratien wich. Parallel dazu fanden auch die Hexenverbrennungen, Zwangschristianisierungen sowie der finstere Aberglaube des Mittelalters ihr Ende.
Selbstredend war das Betreiben von Technik und Naturwissenschaft, deren Erbe wir heute wie selbstverständlich antreten, von deren Fortschritt wir profitieren und deren revolutionäre Erkenntnisse wir mit intellektuellem Hochgenuß in uns aufsaugen, erst von dem Moment an möglich, als wir Zug um Zug das göttlich-supernaturalistische Weltbild hinter uns ließen und bereit waren, den Naturalismus als Grundlage aller Wissenschaften zu akzeptieren. Wir leben heute sozusagen von den Zinsen eines Kapitals, das andere in Jahrhunderten der Auseinandersetzung mit religiösen Fundamentalisten erstritten haben. Um so kurioser erscheint es, wenn selbst einige renommierte Wissenschaftler zu den Kritikern der Evolutionstheorie gehören, heute wieder das Treiben einer transnaturalen "Schöpfungswissenschaft" einfordern und in einen längst überwunden geglaubten, wissenschaftshistorischen Atavismus zurückfallen.
Obgleich deren Thesen für die Wissenschaft vollkommen belanglos sind, zwingt uns das Renommee der evolutionskritischen Verfasser bzw. deren Status als promovierte Biologen und Universitätsprofessoren dazu, diesen Werken Beachtung zu schenken und die in ihnen propagierte Thesen zu widerlegen. Denn es ist bis in weite Kreise der Bevölkerung die Kunde gedrungen, daß hochgeachtete Biologen die Evolutionstheorie ablehnen. Jeder denkt sich: Ein promovierter Biologe lehnt die Evolutionstheorie ab, also muß er ernste Sachverhalte gegen sie einzuwenden haben. Vor diesem Hintergrund ist es nicht überraschend, daß (nach einer jünsten Umfrage) immerhin rund 20% aller Deutschen, Schweizer und Österreiche die Evolutionslehre ablehnen und sich statt dessen am Schöpfungstext orientieren.< Zitatende Quelle: Die Evolutionstheorie und der moderne Antievolutionismus