Donnerstag, 15. Dezember 2005

Wilbert - Klärende Worte

Geneigte LeserInnen,

gestatten Sie mir nun doch einige klärende Worte zu Wilbert.
Wilbert ist ein Mensch wie du und ich, oder sie und er oder du oder ich, aber eher Sie als ich oder auch nicht.
Deshalb sei hier auch gleich angemerkt, dass jede Ähnlichkeit mit Personen gleichen Namens und so weiter, Sie wissen schon ...
Rein zufällig und das scheint vom Schicksal so vorbestimmt, gleicht Wilberts Leben einem merkwürdigen Episoden-Krimi, der auf der großen Rolle da droben niedergeschrieben scheint.
Nur kraft seiner wahrhaft stoischen Gelassenheit vermag Wilbert immer wieder der harten Vorbestimmung die entscheidende Wendung zum Besseren abzuringen, dem Überleben des Stärkeren das Überleben des Wilbert entgegensetzen zu können, unbeirrt seinen, zuweilen etwas merkwürdigen Weg zu gehen, wobei der ja das eigentliche Ziel ist, wie wir ja alle wissen.
Oder wie die Zen-Meister außerdem sagen:
„Triffst du Buddha, dann töte ihn.“
Als ausgesprochener Menschenfreund hält Wilbert sich selbstverständlich mit der Umsetzung dieser Weisheit zurück, ist allerdings auch noch niemals diesem Herrn begegnet, also kann auch niemand wirklich wissen, welche Entscheidung Wilbert im Falle eines Falles tatsächlich treffen würde, hätte er denn einen freien Willen.
Schätzungsweise links liegen lassen würde er ihn, es sei denn, Buddha lädt ihn zum Essen ein, da ist Wilbert bestechlich, muß man leider zugeben.
Allzu genau nimmt Wilbert es also nicht mit seinem Schicksal, er ist ja nur erfunden oder etwa nicht, wer weiß, also warum sollten wir es dann tun?
Na also. © 2004 Jon

Wilbert - Das Brot

Weich und lasziv räkelte es sich vor dem hungrigen Wilbert.
Sein Laib schien geschwollen, Feuchtigkeit aus ihm hervorzutreten; es glänzte matt auf dem Küchentisch.
Wilbert zögerte, das lange Brotmesser, gezackt und scharf in der Hand, sollte er es zurechtschneiden, seine erhabene Fülle in profan flache Scheiben teilen?
Die Butter zerlief inzwischen mit mildem Glanz in seinem Fässchen, der Schinken schillerte schon grünlich auf seinem Teller im Glast der grellen heißen Sommersonntagssonne, noch dampfte der milchig trübe Kaffee schwach in den Tassen, doch Wilbert zögerte weiterhin.
Wie könnte er es nur wagen, dem so frischen Brote mit derbem Sägen die für ein banales Frühstück so elementar wichtig scheinenden Schnitten abzuringen, nur um diese dann auf trivialen hölzernen Brettchen ablegen zu müssen?
Würde dabei die Form des von ihm so grob behandelten Backwerkes nicht schändlich verletzt?
Wie vielen schmerzhaften Wandlungen schön geformter Laiber in üble Mutationen hatte er nicht schon beiwohnen müssen, während so vieler misslungener Versuche, sie doch schonungsvoll behandeln zu wollen?
All dies ging ihm durch den Sinn, als seine Frau aus dem Badezimmer rufend, ihn mit sanfter Stimme aus solch düsteren Gedanken riss:
„Wilbert, schneid schon mal zwei Scheiben Brot ab. Ich hab einen Mordshunger.“
Der dermaßen in die Pflicht genommene Wilbert senkte seufzend das blitzende Brotmesser auf den hingebungsvollen Laib des frischen Brotes und tat bangen Herzens, was er tun musste. © 2004 Jon

Wilbert – Der Baum

Wieder einmal war die Zeit reif.
Und wieder einmal trotzte Wilbert dem meterhohen Schnee, den eisernen Schlitten ächzend hinter sich herziehend.
Eisiger Wind wehte ihm ins Gesicht. Wilbert stemmte sich mit letzter Kraft gegen den Sturm, schlug den Kragen seiner pelzgefütterten Lederjacke hoch und zog sich die Mütze mit den Seitenklappen über die steifgefrorenen Ohren. Seine Stiefel waren feucht vom Schnee, doch Wilbert stapfte schwerfällig tiefer in den dunklen Tann.
Von fern ließ sich das Geheul eines verirrten Wolfsrudels vernehmen, oder war dies schon eine der gefürchteten Sinnestäuschungen aufgrund zu großer Kälte und Entbehrungen?
Bangen Herzens blieb Wilbert stehen und sah auf dem Schlitten nach seinem Werkzeug.
Ja, das Beil, die Säge, das Schabeisen, es war noch alles vorhanden und so ging Wilbert voller Todesverachtung seinem ungewissen Schicksal entgegen, die engschlitzige Schneebrille zurechtrückend, denn selbst das fahle Mondlicht stach schmerzhaft in seinen Augen.
Endlich schien er sein Ziel erreicht zu haben; vor ihm richtete eine ungeheure Tanne ihre Wipfel in den trüben Nachthimmel, gerade gewachsen und buschigen Geästs, ein Prachtkerl von einem Baum.
Um festeren Griff zu bekommen zog Wilbert die dicken Wildlederhandschuhe hoch und packte die blitzende Axt mit beiden Händen.
“Die Edeltanne soll´s sein?“ drang dumpf die zittrige Stimme eines Männchens an sein Ohr, das händereibend hinter dem mächtigen Baum auftauchte.
„Macht 35 Euro 90. Soll ich sie Ihn´ noch einschlagen?“
Wilbert nickte nur stumm, zückte sein hirschledernes Portemonnaie und legte die Tanne auf seinen alten klapprigen Handkarren. © 2004 Jon

Nachlese: Die 20 schlechtesten Witze

suchte der Spiegel und wurde fündig:

Mit Witz Nummer eins starten: http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,387774,00.html

Wer kann´s noch schlechter?
Kommentare erwünscht!

Menschen: Zygmunt Bauman

Wenn Menschen zu Abfall werden
Aus einem Gespräch mit Zygmunt Bauman, dem Soziologen der Moderne, über nutzlose Menschenmassen, die Revolte in Frankreich und sein neues Buch »Verworfenes Leben« in der "Zeit":

Zitat: >Bauman: Wir leben heute in der flüchtigen oder flüssigen Moderne, wie ich sie nenne, in Konsumgesellschaften, in denen menschliche Beziehungen auf flüchtigen Genuss beschränkt sind. Menschen sind nur so lange wertvoll, wie sie Befriedigung verschaffen. Zwei elementare Bedürfnisse stehen einander in diesen Gesellschaften entgegen: der Wunsch, im aufgewühlten Meer einen sicheren Hafen zu haben, und das Bedürfnis, zugleich ungebunden zu sein, die Hände frei zu haben, über Spielräume zu verfügen. Wer sich aus Bindungen lösen kann, muss sich nicht anstrengen, um sie zu erhalten. Er kann sie als freier Konsument genießen und dann wegwerfen. Aber wenn jeder eine menschliche Beziehung zum Umtausch in den Laden zurückbringen kann, wo bleiben dann Räume, in denen das Gefühl moralischer Verantwortung für den anderen wachsen kann? In der traditionellen modernen Ethik galt es, Regeln zu gehorchen, die postmoderne Moral aber verlangt von jedem, selbst Verantwortung zu übernehmen. Nun ist der Mensch als Vagabund unterwegs, der individuell entscheiden muss, was gut ist, was böse. Das war so lange eine gute Nachricht, bis der Konsum die zwischenmenschlichen Beziehungen kolonisierte.< Quelle: http://zeus.zeit.de/text/2005/47/st-bauman_alt

Über Zygmunt Baumanns Buch "Verworfenes Leben": http://www.unrast-verlag.de/unrast,3,0,238.html

Über Zygmunt Baumann: http://de.wikipedia.org/wiki/Zygmunt_Bauman

JON

Satiren, Gedichte, Geschichten und mehr

Flower-Power

Alle Links in Popups öffnen

alle Links auf der aktuellen Seite in einem neuen Fenster öffnen 

Suche

 

Web Counter-Modul

Das Letzte

von Blogger zu Blogger
Würdest Du mir ein Interview geben? Ich schreibe unter...
ChristopherAG - 5. Mai, 01:22
Leider ist seither nichts...
Leider ist seither nichts besser geworden :(... Viele...
Aurisa - 30. Aug, 12:38
was machen hippies so?
hoffentlich nicht nur schlafen?
bonanzaMARGOT - 21. Nov, 12:46
Hallo Herbstfrau, das...
Hallo Herbstfrau, das geht keinesfalls gegen Dich!...
Waldschratt - 1. Nov, 22:34
okay, ihr wollt mich...
Dann- ciao. Hätt zwar auch gern ne Begründung gehört-...
herbstfrau - 31. Okt, 18:33
Hallo Jon, keine wirklich...
Hallo Jon, keine wirklich neue Idee... schon im alten...
Aurisa - 29. Okt, 14:44
Hippies? Kommune?
Das hört sich gut an ;) Wo soll ich unterschreiben?
MarcoP - 22. Okt, 10:17
ich möchte bitte auch...
hier mitglied sein, bin aber nicht mehr so jung wie...
herbstfrau - 19. Okt, 21:47
Hi Jon,
schön wieder was von dir zu lesen und ich hoffe, es...
Windrider - 29. Sep, 11:55
Lieber Buchfinder,
vielen Dank für Deine Bemühungen; aber dieser Sommer...
Schreibmaschinist_Jon - 26. Sep, 11:04
Hallo Jon,
wo warst Du nur so lange. Ich hatte schon eine Suchmeldung...
buchfinders ausnahme - 24. Sep, 08:09
ab und zu!!!
ab und zu!!!
Schreibmaschinist_Jon - 23. Sep, 12:07
Schluss mit den „Reformen“...
Das geht nur ganz anders E-Mail Aufruf zu den Demonstrationen...
Schreibmaschinist_Jon - 23. Sep, 12:07
Halloooo Jooon. Willst...
schlafmuetze - 3. Sep, 16:37
Und ich dachte immer,...
Und ich dachte immer, es hiesse: SPARE IN DER SCHWEIZ...
Lo - 9. Aug, 18:10
Flüchtlinge haben keine...
Flüchtlinge haben keine Wahl, wirklich weitsichtig...
Nashaupt - 4. Aug, 20:47
Über 200 Milliarden Mark
parkten deutsche Vermögensbesitzer allein bei den Luxemburger...
Schreibmaschinist_Jon - 4. Aug, 20:16
tittytainment und das...
... 6. Das Ende der Arbeit 20 Prozent der arbeitsfähigen...
Schreibmaschinist_Jon - 4. Aug, 20:13
Das Recht auf Faulheit
von Paul Lafargue ... Ein verderbliches Dogma...
Schreibmaschinist_Jon - 23. Jul, 13:31
Jetzt grad nicht, aber...
Jetzt grad nicht, aber so oft schon wäre ich lieber...
Xchen - 11. Jul, 23:46

Rechtevorbehalt - Copyright - Disclaimer

© Jon, so weit nicht anders vermerkt. Alle Inhalte dürfen ausschließlich für den privaten Gebrauch genutzt werden. Eine Vervielfältigung oder Verwendung in anderen elektronischen oder gedruckten Publikationen jeglicher Art ist ohne ausdrückliche Zustimmung des Autors nicht gestattet. Bei Interesse an der Nutzung von Inhalten kontaktieren Sie bitte den Autor: http://72213.formmailer.onetwomax.de Ich freue mich über Ihr Interesse! Der Inhaber dieser Website ist nicht verantwortlich für die Inhalte verlinkter Websites.

Wortbilder

"Keine Macht für Niemand" - Ton Steine Scherben bei Amazon
<br />

RSS Box

Rezension: Die besten falschesten Zitate aller Zeiten
Es hat bisweilen etwas Tröstliches, wenn man sich nicht...
fg - 10. Jan, 22:40
Was wird aus dem Tucholsky-Museum in Rheinsberg?
Der Aufschrei in der Region und in der deutschen Kulturlandschaft...
fg - 22. Dez, 22:23
Titanic retten, aber wie?
Es ist einerseits wohl der unaufhaltsame Lauf der Dinge,...
fg - 18. Sep, 23:19
Rezension: Man hat etwas gegen Sie vor. Kurt Tucholsky in Köln...
Auf den ersten Blick mutet es ein bisschen verwegen...
fg - 21. Mär, 23:10
Tucholsky und die Statistik des Todes
Als engagierter Pazifist und Antimilitarist hat sich...
fg - 8. Mär, 22:07
Tucholsky und der Krieg
Die Invasion der Ukraine ist eine politische Zäsur,...
fg - 1. Mär, 22:22
Wie die AfD mit einem falschen Tucholsky-Zitat den Bürgerkrieg...
„Wenn Wahlen etwas änderten, wären sie längst...
fg - 7. Dez, 23:29

Archiv

Dezember 2005
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 
 
 1 
 2 
 3 
10
21
24
26
29
30
 
 

Musikkiste


Neil Young
Greatest Hits

Einige Bücher und mehr



von Claudia Ott, Heikko Deutschmann, Marlen Diekhoff, Eva Mattes
Tausendundeine Nacht (1001). 24 CDs. Das arabische Original - erstmals in deutscher Übersetzung.



Alfred Döblin
Berlin Alexanderplatz





Ingeborg Bachmann
Sämtliche Erzählungen


Anton Cechov
Meistererzählungen


Ingeborg Bachmann
Sämtliche Gedichte


Thomas Mann
Die Erzählungen


Günter Grass
Danziger Trilogie






Charles Dickens
Bleak House


Charles Dickens
Oliver Twist


Charles Dickens
David Copperfield


Charles Dickens
Die Pickwickier


Karl Marx
Das Kapital



Fritz Gesing
Kreativ schreiben


A. M. Textor
Sag es treffender


Ludwig Reiners
Stilkunst


Ludwig Reiners
Stilfibel


von Josep Guasch (Designer), Maria F Canal (Herausgeber), Christa L Cordes (Übersetzer)
Grundlagen der Zeichnung

von Sol Stein, Michael Bischoff (Übersetzer), Dietmar Hefendehl (Übersetzer), Andrea von Sruve (Übersetzer)
WriteProC Fiction. Das Erfolgswerkzeug für Autoren von Romanen und Kurzgeschichten


von James Joyce
Ulysses, Sonderausgabe


von Homer, Christoph Martin
Die Odyssee


von Carson McCullers
Das Herz ist ein einsamer Jäger


von James Joyce, Hans Wollschläger
Ulysses


von Emmanuel Anati
Höhlenmalerei


von Ryunosuke Akutagawa
Rashomon



von Pablo Picasso, Ingo F. Walther, Carsten-Peter Warncke
Picasso 1881 - 1973


von Fjodor M. Dostojewski, Hans Ruoff, Richard Hoffmann
Die Brüder Karamasow


von Yasunari Kawabata, Tobias Cheung
Land des Schnees (Schneeland)


von Yasunari Kawabata, Siegfried Schaarschmidt
Der Blinde und das Mädchen. Neue Handtellergeschichten.




J./Albeniz, I. Rodrigo Edmon Colomer Paco de Lucia, La Orqueste de Cadaques
Concierto de Aranjuez

Das Leben ist wilbert - copyright Jon
Das Wort zum Lohntag
Jons Nachlese
Jons Schnipsel - Aphorismen, Essays und anderer Kleinkram
Kunst - Links
Kurzdramen des banalen Alltags - copyright Jon
Kurzgeschichten - Miniaturen - Gedichte - Fragmente - copyright Jon
Kurzkrimi der Woche
Praxis Dr. med. Al Bern - Die ultimative Arztserie
Satiren copyright Jon
Schnickschnack
Strandgut aus dem weltweiten Web
Szenen meiner wilden Ehe
Worte - Eine Sammlung
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren